Bundesrat Stenographisches Protokoll 614. Sitzung / Seite 65

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pirchegger. – Bitte.

13.09

Bundesrätin Grete Pirchegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Sozialbericht 1994 – etwas spät, den Beamten gilt aber dennoch unser herzlicher Dank.

Auch ich habe mich mit dem Sozialbericht auseinandergesetzt. Für mich ist es am wichtigsten, den Beschäftigungsstand zu halten, das soziale Netz zu finanzieren, gleichzeitig aber den Konsolidierungsmaßnahmen Rechnung zu tragen.

Zu diesem weitreichenden Gebiet kann man positive wie auch kritische Bemerkungen bringen. Ich komme aus der Obersteiermark, wo wir Tausende Arbeitsplätze in der Industrie verloren haben. Mit dem Verlust der Arbeitsplätze ist auch eine Abwanderung spürbar. Dies ist für die ganze Region schlimm. Jugendliche und vor allen Dingen auch das "geistige Potential" finden schwer Arbeit. Viele pendeln daher nach Graz oder Wien und nach einiger Zeit bleiben sie in der Großstadt. Für die Region sind sie verloren.

Für unsere Region sind Klein- und Mittelbetriebe, die einen enormen Beitrag zur heimischen Beschäftigung leisten, sehr, sehr wichtig. Man darf ihnen daher keine neuen Belastungen aufbürden, sondern man muß ihnen mit Hilfestellung entgegenkommen. Diesen Betrieben muß unser ganzes Augenmerk gelten.

Miteinander mehr erreichen! Das ist das Anliegen unserer Landeshauptfrau Waltraud Klasnic. Sie hat bereits im Zuge ihrer Regierungserklärung nach der Wahl zur Landeshauptfrau die Sicherung der Arbeitsplätze zum Thema Nummer eins ernannt. Denn jeder einzelne Arbeitslose erfährt ein menschliches Schicksal, das für die Politik Auftrag sein muß, miteinander über Lösungsmodelle nachzudenken und Initiativen zu setzen.

Besonders wichtig sind unserer Landeshauptfrau die Ausbildung sowie die Lebenschancen unserer Jugend. Diese Menschlichkeit hat sie vielleicht gerade hier im Bundesrat, wo sie ihre politische Tätigkeit begonnen hat, erlernt. Sie wird die Wirtschaft stärken, um Arbeit zu schaffen und um so die Zukunft zu sichern. Das ist auch die Basis für soziale Sicherheit und das ist nur durch ein Miteinander möglich.

Ich glaube, ich habe jedes Jahr bei der Debatte zum Sozialbericht auf die Nachtarbeit der Frauen hingewiesen und welche Nachteile Frauen durch das Verbot von Nachtarbeit erwachsen. Viele Frauen in unserem Bezirk haben ihre Arbeitsplätze verloren, da Betriebe auf drei Schichten umgestellt haben, um die Maschinen besser auszulasten. Viele Frauen hätten sehr gerne auch Nachtarbeit verrichtet. Da dies jedoch gesetzlich nicht möglich war, verloren sie den Arbeitsplatz. Es wäre höchst an der Zeit, dies zu ändern. Ich hoffe, daß wir nicht bis zum Jahr 2001 warten, wo es zu einer automatischen Regelung kommen wird.

Für Frauen ist diese jahrelange Forderung – gleicher Lohn bei gleicher Arbeit – noch immer nicht verwirklicht. Männer verdienen unter Berücksichtigung der Teilzeitarbeit derzeit immer noch um 27 Prozent mehr als Frauen. Ich hoffe, daß wir auch hier um einen Schritt weiterkommen. Es kann doch nicht sein, daß im Jahr 2000 der Lohnunterschied noch immer fast 30 Prozent beträgt.

Im Jahre 1994 sind auch wesentliche sozialpolitische Fortschritte wirksam geworden. Ich denke da an die Einführung der Pflegevorsorge und an die verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten bei der Pensionsbemessung. Die Sozialoffensive war auf Prognosen für eine Wirtschaftsentwicklung abgestimmt, die leider nicht eingetreten ist.

Wir leben im Wohlstand, niemand will auch nur das Kleinste davon abgeben. Aber der einmal erworbene Wohlstand muß wirklich täglich neu erarbeitet werden. In der Sozialpolitik sollten alle den Mut zur Wahrheit haben, dies dient zur Sicherstellung der sozialen Entwicklung.


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