Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 12

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Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist zunächst natürlich Sache der nationalen Rechtssetzungen. Österreich hat mit Sicherheit von allen Mitgliedstaaten die weitestgehende Einbindung nationaler Parlamente, trotzdem kann man im Zusammenhang mit dem Vertrag und vor allem in der technischen Abwicklung diesbezüglich mehr tun.

Wir wollen zum Beispiel eine Frist zwischen der Vorlage eines EU-Rechtssetzungsaktes und der Entscheidung durch den Rat einfordern, wollen diese erweitern, damit man in dieser Zwischenzeit auch notwendige Konsultationen mit dem Nationalrat oder mit dem Bundesrat durchführen kann. Wenn es solche Fristen nicht gibt und man quasi immer unter Druck entscheiden muß, ist natürlich eine seriöse und vernünftige Befassung der nationalen Parlamente fast nicht möglich. Eine solche Frist halte ich für sehr wichtig.

Überdies sollte die Kommission verpflichtet werden, ihre Ideen und ihre Initiativen den nationalen Parlamenten direkt vorzulegen, auch die Konsultationspapiere und ihre internen Überlegungen. Ich sage ganz offen: Das ist nicht uneigennützig, was ich hier fordere, sondern es ist in unserem eigenen Interesse als Außenministerium. Wir sind mit Papier überschwemmt! Zu Spitzenzeiten müssen wir pro Tag – pro Tag! – Tausende Seiten an verschiedene Ministerien, an das Parlament und so weiter verteilen, und daher ist es uns eine große Hilfe, wenn zum Beispiel die Kommission solche Dinge direkt an die nationalen Parlamente heranträgt, denn wir fühlen uns diesbezüglich bei gesunkenem Personalstand manchmal wirklich schon fast an der Grenze der Leistungsfähigkeit.

Präsident Josef Pfeifer: Danke schön.

Wir kommen nunmehr zur 2. Anfrage, 640/M, an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, Herrn Vizekanzler Schüssel.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier: Herr Bundesminister!

640/M-BR/96

Wie beurteilen Sie die Entwicklung in Israel angesichts der seit dem Amtsantritt von Premier Netanyahu eingetretenen Eskalation?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Fünf Jahre lang hat der Friedensprozeß eigentlich zum Teil beachtliche Ergebnisse gebracht. Seit der Ermordung des früheren Premierministers Perez ist eine ganz andere Situation eingetreten. Es findet in Israel eine ganz andere Polarisierung statt, das Sicherheitsbedürfnis rückt wiederum dramatisch in den Vordergrund. Dieser Machtwechsel in Israel hat natürlich selbst zu einer Verhärtung geführt, denn der Sieg von Premierminister Netanyahu, der übrigens eine sehr komplizierte Koalition hinter sich hat, hat natürlich seine Ursachen auch in den Aussagen, die vor der Wahl getätigt wurden, das muß man ganz klar sagen.

Das, was Netanyahu jetzt macht, hat er im wesentlichen vor der Wahl gesagt, und er hat natürlich auch mit diesen Aussagen gewonnen. Das ist, wenn man so will, das Problem der Demokratie, und eigentlich darf niemand überrascht sein, daß es Politiker gibt, die auch nach der Wahl das tun, was sie vor der Wahl gesagt haben.

Daß diese Dinge vor allem in den letzten 100 Tagen dramatisch eskaliert sind, ist bedauernswert, ist nach meiner Überzeugung sogar absolut besorgniserregend. Der Friedensprozeß ist kaum wieder in Gang gekommen – es hat Gott sei Dank einige Akte gegeben: ein direktes Treffen zwischen Netanyahu und Arafat, der israelische Staatspräsident hat sich da, glaube ich, gut engagiert.


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