Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 13

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Vor allem nach dieser unglaublich unglückseligen Tunnelaffäre – die Öffnung des 2000 Jahre alten Tunnels, der sich mitten in der Altstadt befindet, rief eine dramatische Eskalation hervor, die meines Wissens über 100 Tote, vor allem auf palästinensischer Seite, und 1 600 Schwerverletzte forderte – drängen wir von der Europäischen Union – ich sage jetzt bewußt "wir", weil diesbezüglich gibt es eine gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Position aller EU-Staaten – die israelische Regierung und die PLO-Führung massiv, zum Gespräch und auch zu dem, was schon vereinbart ist, zurückzukehren.

Zum Beispiel ist der Abzug der israelischen Truppen aus Hebron vereinbart: Er muß durchgesetzt werden. Die Schließung der Grenzen der palästinensischen Autonomiegebiete ist eine Katastrophe. – Ich weiß nicht, ob alle die Situation dort richtig einschätzen: Durch die fast hermetische Schließung der Grenzen, die jetzt zwar ein bißchen gelockert wurde, aber noch immer ganz dramatische Auswirkungen hat, ist die Arbeitslosenrate von auf 50, 60 Prozent gestiegen, und dies betrifft vor allem junge Leute.

Das ist natürlich die Saat der Gewalt, die dann zuerst zu Steinwürfen, später zu Schüssen und am Ende zu einem Blutbad führen könnte. Daher ist es wichtig, daß man – auch wenn es schwer fällt – zu diesem behutsamen und konstruktiven Friedensdialog zurückkehrt – es gibt nach meiner Überzeugung keine Alternative dazu.

Präsident Josef Pfeifer: Danke. Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Herr Bundesminister! Sie sind schon teilweise auf meine zweite Frage eingegangen, ich stelle diese aber trotzdem: Gab es im EU-Rat der Außenminister eine Diskussion über Maßnahmen, die – trotz der schwachen Säule GASP der Europäischen Union – zu einer friedlichen Entwicklung dort beitragen können?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es gibt jetzt eigentlich in jedem EU-Außenministerrat einen ständigen Punkt "Friedensprozeß in Nahost", denn die EU ist auch ganz direkt und unmittelbar involviert. De facto kann überhaupt nur die Palästinensische Autonomiebehörde existieren, weil sie zu einem hohen Anteil von der Europäischen Union bezahlt wird – das muß man ganz offen auf den Tisch legen. Ich würde sagen, nach offiziellen Rechnungen bezahlt die Europäische Union 50 Prozent, nach inoffiziellen Rechnungen 75 Prozent, und zwar aus dem Gemeinschaftsbudget, damit das klar ist: Aus dem Gemeinschaftsbudget zahlt die Europäische Union de facto die Kosten der Palästinensischen Autonomiebehörde und auch sehr viel an Wirtschaftshilfe – und das ist beachtlich –: der Aufbau von Wasserleitungen, Schulprojekte, Sozial- oder Gesundheitsversorgung, all das wird eigentlich weitestgehend von Europa bezahlt, und ich halte das auch für richtig und notwendig.

Auf der anderen Seite ist Europa aber auch der wichtigste Abnehmermarkt für israelische Produkte: 60 Prozent der israelischen Exporte gehen nach Europa, und ich sage Ihnen ganz offen, ich sehe überhaupt nicht ein, daß man das nicht als Argument viel stärker ausspielt.

Ich habe das mehrere Male im Europäischen Außenministerrat getan, und das Ergebnis war, daß dann nach dem letzten europäischen Rat in Dublin der Ratsvorsitzende Irlands der Europäischen Union, Außenminister Dick Spring, zu einer Mission nach Jerusalem aufgebrochen ist, und ich halte das auch für wichtig. Ich weiß schon, daß er nicht überall willkommen war, aber es ist auch entscheidend, daß Europa hier Profil und Präsenz zeigt.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Welchen Beitrag kann Österreich, das ja dort immer vermittelnd tätig war – ich erinnere an Kreisky und so weiter –, auch weiterhin leisten, um die Krise zwischen Israel und Palästinensern zu beruhigen und eine friedliche Entwicklung zu fördern?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Minister.


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