Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 29

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ausdrücken. Eine solche Art Korrekturfunktion könnte der Bundesrat in einem mit dem Nationalrat gemeinsam zu bildenden Ausschuß ausüben.

Erstrebenswert wäre es, könnten Einsprüche des Bundesrates auch bloß gegen Teile von Nationalratsbeschlüssen erhoben werden und das Zustimmungsrecht des Bundesrates auch auf alle Bundesgesetze erweitert werden, welche nachteilige Folgen für die Bundesländer haben, und auch in bezug auf den Finanzausgleich gelten, der für Bund, Länder und Gemeinden in gleicher Weise von großer Bedeutung ist. Es wäre auch begrüßenswert, über Einsprüche des Bundesrates einen gemeinsam mit dem Nationalrat zu bildenden Vermittlungsausschuß befinden zu lassen. Auch sollte der Bundesrat ein Initiativrecht auf Durchführung von Volksbefragungen erhalten.

Im Hinblick auf ihre Bedeutung auch für die Bundesländer und die Gemeinden wäre es weiters bedenkenswert, den Präsidenten des Rechnungshofes und die Volksanwälte durch die Bundesversammlung, also Nationalrat und Bundesrat gemeinsam, wählen zu lassen.

Deutlicher und bestimmender sollte auch das Mitwirkungsrecht des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union werden. So sollte der Bundesrat analog zur Regelung des Nationalrates ein Widerspruchsrecht gegen eine beabsichtigte Abweichung des jeweiligen Mitglieds der Bundesregierung von einer bindenden Stellungnahme des Bundesrates in Angelegenheiten erhalten – lassen Sie mich das betonen –, in denen der Bundesrat nach Artikel 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes das Recht der Zustimmung bereits hat.

Hoher Bundesrat! Weitere Verbesserungen der Stellung des Bundesrates sind nicht Selbstzweck, sondern sind immer auch im Gesamtrahmen einer Verfassungsreform und innerhalb derer einer etwaigen Bundesstaatsreform zu sehen.

Gerade aus dem Grund ist es bedauerlich, daß es trotz verdienstvoller Vorarbeiten – das sei betont: verdienstvoller Vorarbeiten – zu keiner Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes und zu keiner Erfüllung des vor der EU-Mitgliedschaft Österreichs und der vorangegangenen Volksabstimmung 1992 abgeschlossenen Perchtoldsdorfer Abkommens einer Bundesstaatsreform gekommen ist. Sie wurde von den beiden Regierungsparteien schon vor der Volksabstimmung versprochen. Ihre Erfüllung wurde durch wertvolle Vorarbeiten des damaligen Bundesministers Jürgen Weiss, des Staatssekretärs Dr. Peter Kostelka sowie der Herren Landeshauptleute von Vorarlberg Dr. Martin Purtscher und von Burgenland Karl Stix in verdienstvoller Weise vorbereitet.

Zu einer solchen Bundesstaatsreform bedürfte es einer den tatsächlichen Aufgabenbereichen und dem Leistungsvermögen von Bund und Ländern entsprechenden, zeitgemäßen Kompetenzverteilung mit abgerundeten und daher geschlossenen Kompetenzbereichen – was auch von Wichtigkeit für die Rechtsprechung ist, nicht zuletzt auch des Verfassungsgerichtshofes, der hier eine wertvolle Klammerfunktion ausübt –, der Beseitigung befristeter Kompetenzklauseln, der Vereinbarung eines Inkorporationsgebotes, wonach alle künftigen, die Länder betreffenden Verfassungsbestimmungen, besonders die Kompetenzen, in das neu zu kodifizierende Bundes-Verfassungsgesetz aufgenommen werden sollten und nicht in verfassungsrechtliche Nebengesetze, was eine Praxis ist, die ich als Unart bezeichnen möchte, die aber im Parlament seit Jahrzehnten geübt wird.

Es sollten die Verfassungsautonomie der Länder verstärkt, die mittelbare Bundesverwaltung abgeschafft, die Vollziehung der Bundesgesetze in die Vollziehung der Länder übertragen und die Landesverwaltungsgerichte der Länder eingeführt werden. Mit dem diesbezüglichen Begehren des Verwaltungsgerichtshofes erkläre ich mich identisch, und ich darf sagen, daß das alles auch mit ein Teil des Perchtoldsdorfer Abkommens ist, das die Unterschriften des Bundeskanzlers Dr. Vranitzky und des damaligen Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, des Herrn Landeshauptmannes Siegfried Ludwig, trägt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich das auch in dieser Stunde betonen: Es gibt kaum ein Thema der Politik im allgemeinen und des Verfassungslebens im besonderen, welches so sehr in Theorie und Praxis von verschiedenen Seiten und mannigfachen Richtungen ausdis


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