Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 88

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meine ersten Vorlesungen im Sommersemester gehalten und habe die drei Ebenen imperial, sozial und individual dargelegt, aber auch die Länder und die Gemeinden. Die Länder haben eine wichtige staatsrechtliche Funktion. Die Bundesländer teilen mit dem Bund, Staat zu sein, und sie teilen mit den Gemeinden, territorialer Selbstverwaltungskörper zu sein. Das ist nämlich nicht der Bund. Das heißt, die Länder sind ein Herzstück. Wer die Länder stärkt, stärkt den Bundesstaat, denn er ist mit dem Gesamtstaat und mit den Gemeinden verbunden. Mit Ausnahme der Gemeinde Wien, die Staatscharakter hat, haben die anderen keinen Staatscharakter; das sind territoriale Selbstverwaltungskörper. Daher: Je mehr Demokratisierung desto mehr Bürgernähe, desto mehr bindet man die Menschen ein, und es entstehen keine Alternativsituationen.

Daher ist jedes Ja zum Föderalismus ein Ja zur Subsidiarität. Das dürfen wir nicht allein in Maastricht lesen, das müssen wir durchführen. Es ist ein Ja zur Kostenersparnis und ein Ja zum Mitdenken und Miturteilen. Denn die Menschen sind bereit, Opfer auf sich zu nehmen, wenn sie wissen, warum. Die ganze heutige Situation entsteht dadurch, daß wir nicht wissen, warum, und die Journalisten erklären es. Sie erklären teilweise auch unsere Überflüssigkeit! Aber man könnte auch von manchen Massenmedien sagen, sie seien überflüssig. Aber sie sind nicht überflüssig, denn ohne die Massenmedien haben wir keinen Dialog in der freien Demokratie.

Meine Damen und Herren! Was heute nicht notwendig ist, ist, daß wir miteinander streiten und uns gegenseitig alles aufrechnen. Papst Johannes Paul II., den einige von uns in wenigen Tagen in Rom erleben werden, hat in der päpstlichen Weltfriedensbotschaft zum 1. Jänner dieses Jahres geschrieben: Frieden heißt vergeben, heißt versöhnen, heißt aufeinander zukommen, heißt – so schreibt der Papst – einander nicht die Geschichte aufrechnen.

Daher sage ich Ihnen: Wir haben jetzt, drei Jahre vor dem Jahr 2000, eine große Chance. Erstens: Wir sollten uns bemühen, eine zeitgemäße Kompetenzverteilung zu erreichen, und zwar eine EU-gerechte Kompetenzverteilung, bei der Bund, Länder und Gemeinden nach ihrem Leistungsvermögen das an Kompetenzen bekommen sollen, was sie tun können. Sie wissen aber, meine Damen und Herren, daß die Subsidiarität eine positive und eine negative Seite hat. Das heißt, zu unterlassen, was ein anderer tun kann, aber das zu tun, was man nur selbst tun kann. Wir haben genügend Erfahrung. Es gibt kein Thema, das so ausdiskutiert ist wie die Bundesstaats- und Bundesratsreform. Es soll daher niemand sagen, wir müssen wieder bei Adam und Eva anfangen. Das ist längst ausdiskutiert.

Ich war kürzlich in London bei einem offiziellen Besuch im englischen Unterhaus, bei der glänzenden Madam Speaker. Ich sage nicht "glänzend", weil sie conservative ist, sie ist Labour, das ist das Pech der anderen – eine feine Dame. Ich habe von London gleich telefonisch die Presseerklärung durchgegeben, daß Herr Kollege Kostelka als Staatssekretär mit Jürgen Weiss als Föderalismusminister, mit Purtscher und Stix in glänzender Weise das für die Bundesstaatsreform schon vorbereitet haben, was man jetzt nur mehr mit zu verabschieden braucht.

Ich finde es sehr vernünftig, wenn Bundeskanzler Mag. Klima sagt: Es gibt noch einige andere Dinge, die wir besprechen wollen. Das ist doch ein Zeichen des Mitdenkens, meine sehr Verehrten! Ich war auch beim Herrn Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien, Dr. Häupl, und ich habe ihn eingeladen, er solle auch ins Parlament kommen, denn er ist ja ganz in unserer Nähe. Am Vormittag war ich bei Dr. Häupl, er hat mich sehr nett empfangen. Er wird kommen, darf ich Ihnen sagen! Er wird demnächst hier stehen und zu uns sprechen. Ich habe dem Herrn Landeshauptmann genauso wie dem Herrn Bundeskanzler gesagt, es wäre sehr wertvoll, wenn an dem Konsultationsmechanismus auch Vertreter des Nationalrates und des Bundesrates teilnehmen könnten. Nehmen Sie zum Beispiel die Integrationskonferenz der Länder her. Dort sitzen die Landeshauptleute, die Landtagspräsidenten und die drei Präsidenten des Bundesrates. Ich gebe zu, daß sie nicht einberufen wird, weil die Landeshauptleute lieber alleine entscheiden. Da haben Sie völlig recht. Das ist die Exekutivorientiertheit. Groß ist jeder gern alleine, das ist ja keine Frage; auch wir, meine sehr Verehrten!

Daher glaube ich, daß es notwendig ist, daß wir hier zusammenstehen. Es ist heute schon glänzend von Jürgen Weiss und auch von manchen Vorrednern – Jaud und Weiss sind beide nicht Gastjuristen, sondern engagierte Menschen, auch Frau Präsidentin Haselbach – abgegrenzt


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