Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 31

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Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben zwar gemeinsam mit Frau Minister Hostasch bekanntgegeben, daß beide Ministerien finanzielle Mittel in Millionenhöhe als Sofortmaßnahme zur Verfügung stellen werden, genaueres ist aber noch nicht bekannt. Im Bundesratsausschuß für Unterricht informierte uns der zuständige Ministerialratsbeamte auf eine Frage darüber, daß eine Erhebung ergeben hat, daß im schulischen Bereich genügend Klassen zur Verfügung stehen, um zusätzliche Schüler beziehungsweise junge Leute, die keinen Lehrplatz bekommen, aufzunehmen. Er meinte aber, daß dabei folgendes klar sein muß: Der Schultyp kann dabei nicht immer frei gewählt werden. Ich finde diese Tatsache sehr bedenklich.

Gerade Sie, Frau Minister, haben in der Diskussion über das Aufsteigen mit einem Nicht genügend unter anderem darauf hingewiesen – ich zitiere wörtlich –, "daß viele Kinder und Jugendlichen im falschen Schultyp sitzen und deshalb versagen, weil sie über andere als die dort geforderten Begabungen verfügen". – Ende des Zitates.

Nun sollen Jugendliche, die teilweise gar keine weiterführende Schule besuchen wollen, aus welchen Gründen auch immer irgendeine Schule besuchen. Auch in den letzten Jahren drängten Jugendliche schon verstärkt in weiterführende Schulen und scheiterten dort.

Wie zu erfahren war, liegt die Drop-out-Quote am Ende der ersten Klasse im Durchschnitt bei 20 Prozent, in einigen Fällen aber sogar zwischen 20 und 60 Prozent. Ich finde es unmenschlich, Kinder beziehungsweise Jugendliche der Situation auszusetzen, daß sie sich am Beginn ihres Erwachsenenlebens als Versager erleben müssen, weil sie schlichtweg überfordert sind und die gewünschte Leistung wirklich nicht erbringen können.

Noch zwei weitere Probleme treten auf, wenn man alle lernbegabten Kinder in berufsbildende Schulen schickt, unabhängig davon, ob sie es anstreben oder nicht.

Erstens stellt sich die Frage, ob sie bei einem positiven Schulabschluß auch wirklich eine Anstellung bekommen oder ob die Märkte zwischenzeitlich so gesättigt sind, daß sie wieder arbeitslos sind. Zweitens hat die Tatsache, daß dann primär die Minderbegabten höherqualifizierte Berufe erlernen müssen, für die sie nicht geeignet sind und die daher zum Scheitern kommen, zur Folge, daß es verstärkt einen Lehrabbruch geben wird.

Erlauben Sie mir nun auch ein Wort zur finanziellen Auswirkung. Derzeit kostet der Schüler einer AHS oder BHS – es ist sicher nicht immer die Zahl für alle Schultypen richtig – dem Staat zirka 60 000 S, ein Lehrling jedoch nur 6 000 S.

Wenn man die Lehrplätze mit 50 000 S jährlich fördern würde, wäre dies für den Staat kostenneutral und der Jugendliche würde jenen Beruf erlernen, den er auch anstrebt, und kann seine Qualitäten, zum Beispiel im handwerklichem Bereich, optimal weiterentwickeln und wird nicht zum Versager, weil er sein Selbstwertgefühl nicht verliert. Wir alle wissen, welchen Stellenwert Motivation für die Leistungsbereitschaft hat und welche Dauerschäden durch gravierende Frustrationserlebnisse entstehen können.

In den Berufsschulen wird gute Arbeit geleistet, der politische Stellenwert dieses Schultyps ist aber in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. In Oberösterreich hat man einen Schwerpunkt auch auf den Schultyp "Berufsschule" gelegt.

Frau Bundesministerin! Im vorliegenden Bericht werden auch die unterschiedlichen Organisationsformen des Unterrichts aufgezeigt. Sie haben zuvor bei einer Fragebeantwortung als Beispiel der Änderung des Ganzjahresbetriebes den Seminarunterricht angesprochen – vier Wochen im Oktober, vier Wochen im Juni – und haben gemeint, daß dies die Beziehung zwischen Schule und Lehrbetrieb verbessert. Dies kann ich nicht ganz unwidersprochen lassen.

Mir gegenüber haben Kollegen aus dem Berufsschulbereich auch einige negative Erfahrungen mit diesem Kursbetrieb geschildert, und zwar betreffen sie teilweise die schwachen Schüler. Es fehlt die Zeit für die Wiederholung, es wird in diesen vier Wochen der Lehrstoff intensiv vermittelt, und man hat zuwenig Zeit, Kinder, die die Wiederholung, die nochmalige Erklärung


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