Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 34

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Davon hatten rund 70 Prozent der männlichen und etwas 47 Prozent der weiblichen Schüler eine Hauptschule oder einen Polytechnischen Lehrgang absolviert. Der Anteil der Mädchen aus weiterführenden Vollzeitschulen ist mit zirka 53 Prozent fast doppelt so hoch wie jener der Burschen, der rund 29 Prozent beträgt. Auch wenn man berücksichtigt, daß ein vermutlich beträchtlicher Teil jener weiblichen Lehranfänger, die aus weiterführenden Schulen kommen, eine Haushaltungsschule besuchen, gelangt man dennoch zu dem Schluß, daß die Schulbildung der Mädchen dem Niveau nach über dem der Burschen liegt.

Ich glaube, es müssen deswegen die männlichen Absolventen der Berufsschule nicht in Depression verfallen, denn es ist vom Ansatz des Berufsbildes her erklärbar, daß Berufe, die jungen Burschen als adäquat erscheinen, wie zum Beispiel Mechaniker, Autospengler oder anderes mehr, von vornherein eine andere, höhere Schulbildung nicht notwendig erscheinen lassen, daß da von vornherein ein anderer Weg gesucht wird. Daraus den Schluß zu ziehen, da werde wenig Intelligentes eingebracht, ist aus meiner Sicht falsch, wenngleich es natürlich richtig ist, daß für Absolventen einer kaufmännischen Berufsschule gewisse Wissensvorteile bestehen.

Eine wichtige Ursache dafür ist auch in der Tatsache zu suchen, daß der Mädchenanteil an der Zahl der Lehrlinge insgesamt nach wie vor relativ gering ist und daß in vielen Fällen nur Mädchen mit besserer Schulbildung Zugang zu einer Lehrausbildung finden. Eine weitere Ursache dürfte in dem Umstand zu suchen sein, daß die besondere Lehrberufsstruktur bei Mädchen mit ihrem Schwerpunkt bei kaufmännischen Berufen diese Wirkung noch weiter verstärkt. Das vorliegende Datenmaterial zeigt auch, daß in den letzten Jahren diesbezüglich keine wesentlichen Änderungen erfolgt sind, sondern sich die genannten Tendenzen eher noch verstärkt haben.

Ich finde es positiv, daß in Zukunft auf Fremdsprachen, auf berufsorientierte Fremdsprachen Wert gelegt wird, denn wer die Welt nicht versteht, der wird mit ihr nicht kommunizieren können, und diese Nachteile im Beruf sollten wir unseren jungen Absolventen der Berufsschule für die Zukunft ein für allemal ersparen.

Ich möchte nun auch ein paar Gedanken zur dualen Berufsausbildung hier äußern.

Derzeit wird in Österreich zuwenig Berufsinformation an den Schulen vermittelt – ich habe das eingangs an einem eigenen Beispiel schon dargestellt, ich darf das aber noch näher erläutern. Die im familiären Bereich häufig strikte Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre, die tätigkeitsbezogenen Darstellungen in Kinder- und Schulbüchern von Mann und Frau und die unterschiedliche Erziehung von männlichen und weiblichen Kindern tragen später zu mangelnder Kenntnis über die beruflichen Realitäten bei Jugendlichen bei. Das Einsetzen von Berufsinformation ab der 9. Schulstufe – das ist naturgemäß der Polytechnische Lehrgang – kommt aus meiner Sicht eindeutig zu spät. Durch ein pädagogisch kindgerechtes Auseinandersetzen mit der Arbeitswelt bereits ab Beginn der Schulpflicht und die schrittweise Heranführung an die Arbeitsrealitäten im Hauptschul- und AHS-Unterstufenbereich könnte eine konkretere Auseinandersetzung mit den Berufen erzielt und die Berufswahl erleichtert werden. Berufsinformation muß daher ab Beginn der Schulpflicht in den Lehrplänen aller Schultypen vorgesehen werden.

Mehr als die Hälfte aller Lehrlinge in Österreich, nämlich 55 Prozent, werden im Gewerbe ausgebildet, rund 17 Prozent im Handel, 15 Prozent in der Industrie und knapp 10 Prozent im Fremdenverkehr. Die Lehrstellensituation in Österreich ist derzeit ein strukturell bedingtes Problem. So ist die Zahl der Lehrstellen im Bereich des Gewerbes und des Fremdenverkehrs österreichweit in den letzten 20 Jahren prozentuell gestiegen, im Bereich der Industrie und des Handels jedoch prozentuell gesunken. Die Strukturprobleme liegen daher einerseits im Rückgang von qualitativ hochwertigen Ausbildungsplätzen, zum Beispiel in der Industrie, und im Rückgang von traditionellen Lehrstellenangeboten, zum Beispiel im Handel.

Gewerbe, Fremdenverkehr und Verkehr bieten heute prozentuell mehr Lehrstellen an als 1973. Das zeigt, daß Lehrlingsausbildung einerseits ökonomisch und konjunkturell bedingt ist und


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