Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 42

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Es ist richtig, wir schreiben heute April 1997, und es ist seit Vorlage des Berichtes etwas mehr als ein Jahr vergangen, aber in diesem Zeitraum, in diesem relativ kurzen Zeitraum hat sich Grundlegendes verändert. Wir haben heute die Verpflichtung – es haben dies auch fast alle meine Vorredner getan –, auf diese geänderte Situation einzugehen, denn ich würde ja fast befürchten, daß, hätten wir heute nicht diese Möglichkeit zu dieser grundsätzlichen Diskussion, von seiten der Freiheitlichen Partei sicherlich bald eine dringliche Anfrage zu diesem Thema ins Haus stehen würde.

Hat es noch im Jahr 1995 eine mehr oder weniger ausgeglichene Entwicklung zwischen Angebot, sprich offenen Lehrstellen, und Nachfrage, sprich Lehrstellensuchenden, gegeben, so ist dies heute eigentlich nur mehr ein Wunschdenken. Aus diesem Grunde bin ich persönlich überzeugt davon, daß wir uns, auch wenn wir heute nur den schulischen Teil der Berufsausbildung auf der Tagesordnung haben, nur in einer Gesamtschau – also auch mit dem Inhalt des Berufsausbildungsberichtes 1995, wie er uns vom Wirtschaftsministerium ebenfalls vorgelegt wurde – mit der Frage "Lehrlingssituation" und "duales Ausbildungssystem" auseinandersetzen können. Da gibt es keine Einseitigkeit, sondern da müssen wir diese gemeinsamen Entwicklungen sehen.

Wir müssen uns aber auch klar darüber sein, daß dieser – ich möchte fast sagen – unbarmherzige Strukturwandel nicht nur die Lehrlinge, sondern auch die Absolventen fast aller Schultypen, aber auch ältere Arbeitnehmer und in einem sehr starken Ausmaß auch die Frauen, insbesondere die Wiedereinsteigerinnen, trifft. Wir müssen aber auch erkennen, daß dieser Wandel sehr viele Unternehmungen und Betriebe in Schwierigkeiten brachte, und diese aus diesem Grunde schließen mußten. Dazu kommt noch – ich möchte daran erinnern –, daß gerade die öffentlichen Stellen sehr restriktive Maßnahmen beschlossen haben, was die Aufnahme neuer Mitarbeiter betrifft.

Hohes Haus! Wenn wir den zur Debatte stehenden Bericht lesen und die heutige Fragestunde mit der Frau Bundesministerin verfolgt haben, dann können wir erkennen, daß von schulischer Seite weitestgehend die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, daß möglichst schnell auf Veränderungen sowie Anforderungen, die die neuen Wirtschaftsstrukturen stellen, reagiert werden kann. Die Lehrlingssituation hat sich meines Erachtens deshalb so verschärft, weil wir zu lange damit gewartet haben, für die Betriebe neue und zeitgemäße Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb bin ich sehr froh darüber, daß wir in den letzten Monaten Reformmaßnahmen beschlossen beziehungsweise eingeleitet haben, die Chancen und Voraussetzungen bieten, um die Ausbildungsbereitschaft in den Betrieben wieder zu erhöhen. Meine Damen und Herren! Es ist ein Erfolg der Sozialpartner, daß man sich darauf geeinigt hat. Es war spät, aber ich hoffe, nicht zu spät.

Dieses Reformpaket mit der Garantie der betrieblichen Ausbildungszeit, mit der Entlastung von Krankenversicherungsbeiträgen, mit der Gleichstellung von Lehrlingen, was das Schutzalter von 18 Jahren anlangt, mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit und vielem anderen mehr sollte nun neue attraktive Rahmenbedingungen für die Betriebe bringen, die bewirken, daß vermehrt Lehrlinge aufgenommen werden können, damit auch für die Zukunft das bewährte duale Ausbildungssystem gesichert bleibt. Ich bekenne mich zu diesem dualen Ausbildungssystem und hoffe, daß wir mit dem Reformpaket einen Weg beschreiten, der bewirkt, daß dieses System in Zukunft wieder verstärkt angenommen wird und dadurch die Chancen für die jungen Menschen erhöht werden.

Durch diese Erleichterungen für unsere Betriebe bei der Lehrlingsausbildung haben wir die Chance, einerseits der aufkommenden Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken und andererseits das notwendige Potential an Facharbeitern für unsere Wirtschaft zu erhalten. Ich bin auch davon überzeugt, daß es durch diese Reformmaßnahmen zu einer neuen Ausbildungsqualität kommen wird, denn es ist gelungen, viel Hemmendes über Bord zu werfen und damit einen Weg der verbesserten Chancen einzuschlagen.

Hohes Haus! Rund 50 000 junge Menschen im Alter von bis zu 25 Jahren sind zurzeit ohne Arbeit. Da meine Vorrednerin, Frau Bundesrätin Kainz, davon gesprochen hat, daß sie hofft, daß


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