Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 87

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zeswerk im Zuge der damaligen Studienreform war, kann dies vom jüngst im Nationalrat beschlossenen Universitäts-Studiengesetz 1997 keineswegs gesagt werden. Schon gar nicht ist es als ein "Jahrhundertgesetz" einzustufen, wie es Herr Abgeordneter Dr. Lukesch euphorisch bezeichnet hat. Der Herr Bundesminister hat sich vergleichsweise viel vorsichtiger ausgedrückt, er hat es ja schließlich auch bloß geerbt!

Über 600 Stellungnahmen, die angeblich berücksichtigt wurden, lassen mich eher an den Satz denken: Zu viele Köche verderben den Brei.

Gewiß: Gute Absichten und durchaus akzeptable Lösungsansätze will ich gerade diesem Gesetz nicht absprechen. Problematisch ist freilich bereits die Lagebeurteilung, die den Ausgangspunkt für das neue Studienrecht bildet. Hiebei wird – mit latentem Vorwurf an die Universitäten – kritisch vermerkt, daß – so wörtlich – "der Praxisbezug der Studien und die Vermittlung von Berufsbildern weiterhin fehle". Ferner wird bemängelt, daß die Aufgaben der Fort- und Weiterbildung nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen worden seien. Und schließlich wird Kritik daran geübt, daß das Problem der zu langen Studienzeiten noch nicht befriedigend gelöst werden konnte.

All das ist auf den ersten Blick ein bestechender Realbefund. Wer wollte es leugnen? Aber wie sieht es bei näherer Betrachtung wirklich damit aus?

Zum ersten Punkt – Praxisferne der Studien: Ich bin ohnehin schon sehr dankbar dafür, daß entgegen rein technokratischen Bestrebungen im ursprünglichen Entwurf als Bildungsziel unverändert und zu Recht die "wissenschaftliche Berufsvorbildung", und nicht etwa die "wissenschaftliche Berufsausbildung", erhalten geblieben ist. Denn letzteres wäre eine in sich widersprüchliche Zielbestimmung, ein Verkennen und Verfehlen der Aufgaben einer Universität – die ja nicht Fachschule ist – und der durch sie zu vermittelnden Bildung gewesen.

Erlauben Sie mir, mein eigenes Fach – in diesem kennt man sich eben am besten aus – als anschauliches Beispiel für das Gemeinte heranzuziehen. Gewiß sind wir heute auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts sehr bemüht, interessierten Hörern auch spezielle Lehrveranstaltungen, sogenannte Praktika, in Form von Prozeßspielen aufgrund von Originalakten, mit Gerichtsbesuchen und dergleichen mehr anzubieten und ihnen dadurch das spröde Fach möglichst praxisnahe darzustellen. Dennoch muß ich sagen: Wenn noch am Beginn des vorigen Jahrhunderts die Prozeßrechtslehre als die Kunst, Akten richtig anzufertigen und zu bearbeiten, bezeichnet wurde, dann meine ich, daß die Vermittlung der Kunst, Akten zu binden – oder gar erfolgreicher advokatorischer Strategien –, nicht die vorrangige Aufgabe einer Universität sein kann. Das können wir nicht lehren. Was soll dann die so modische wie wohlfeile Kritik am angeblich ach so mangelnden Praxisbezug?

Im übrigen möchte ich einige Bemerkungen zu den im Universitäts-Studiengesetz angebotenen Abhilfen machen: Die Studienkommissionen sollen in Studienrichtungen, in denen ihnen dies sinnvoll erscheint, den Hörern im Studienplan die Absolvierung einer facheinschlägigen Praxis auftragen können. – Gerade in der Jurisprudenz läge derartiges tatsächlich sehr nahe. Eben deshalb muß ich an den Fehlschlag jenes Studienmodells in der Bundesrepublik Deutschland erinnern, nach welchem man bestrebt war, Praxisstationen in das Hochschulstudium zu integrieren. Es handelte sich dabei um das bekannte einphasige Studienmodell, wie es insbesondere in Bremen und Bielefeld erprobt wurde. Als langjähriger Studienversuch hätte es in das Regelstudium Eingang finden sollen. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Studiendauer geriet zu lang, und die Koordination von Theorie und Praxis erwies sich für Studierende wie auch für Lehrende als offenbar zu komplex und kaum administrierbar. Der Studienversuch ist ausgelaufen und trotz allem darin investierten Engagement folgenlos geblieben.

Ich selbst erinnere mich noch gut daran, als hochschulpolitisch motivierter Vertreter des Mittelbaues – als junger Wissenschafter war ich zumindest damals noch kreativ und innovativ – mit meinen Kollegen für den Einbau eines solchen Praktikums in das Studium eingetreten zu sein. Im Zuge der damaligen Reform des Studiums der Rechtswissenschaften durften wir im Unterausschuß des Nationalrates den Abgeordneten unsere Vorstellungen präsentieren. Frau


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