Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 88

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Bundesministerin Dr. Hertha Firnberg war für den Vorschlag höchst aufgeschlossen. Sie verwies ihn verständlicherweise bezüglich seiner praktischen Umsetzung an die beim Hearing damals anwesenden Repräsentanten der Anwaltschaft und der Richterschaft weiter. Aber – siehe da! – die angesprochenen Interessenvertreter der dafür vornehmlich in Betracht kommenden Berufsgruppen lehnten dankend ab. Für die Anwälte war es offenbar wenig attraktiv, Studierende praktisch auszubilden, ohne dabei unmittelbar verwertbare Arbeitserfolge zu erzielen. Immerhin ist eine Anwaltskanzlei letztlich doch betriebswirtschaftlich ein am Gewinn orientiertes Unternehmen, bei dem ein solches Praktikum einen Kostenfaktor bilden würde. Die Richter machten ihre Überlastung geltend, die es ihnen nicht erlaube, sich der Ausbildung angehender Juristen zu widmen. – Frau Bundesministerin Firnberg mußte diese mangelnde Kooperationsbereitschaft mit Bedauern zur Kenntnis nehmen.

Ich erwähne all das nur, weil es heute in der Realität nicht anders aussieht und man sich daher von noch so wohlmeinenden Illusionen freihalten muß, was natürlich nicht heißt, daß ich – wie ein ehemaliger Bundeskanzler – nach einem Arzt rufe, wenn jemand Visionen hat.

Nun zum zweiten Punkt, den bislang von den Universitäten nicht oder nur unzureichend wahrgenommenen Aufgaben in der Fort- und Weiterbildung ihrer Absolventen und auch sonstiger Bildungswilliger, ich denke etwa an das Seniorenstudium. Aber welche Kapazitäten und Ressourcen, personell wie materiell, will – oder besser kann – denn eine Universität beziehungsweise Fakultät heute noch aufbieten, um eine postgraduale Ausbildung auf höchstem Niveau zu gewährleisten, wenn sie selbst schon bei der Erfüllung ihrer primären Aufgaben im Regelstudium angesichts des international unüblichen Mißverhältnisses zwischen der Zahl der Studierenden und jener der Vortragenden bereits völlig überbeansprucht ist? Diesbezüglich lassen die Öffentlichkeit, die Bildungspolitik und die staatliche Finanzierung die Universitäten im Stich, anstatt ihnen geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Aber nun zum ganz wesentlichen dritten Punkt, der überlangen Studiendauer: Um es vorweg sehr deutlich zu sagen: Wir schieben dieses Übel gewiß nicht auf eine etwa mangelnde Eignung der Mehrheit der Studierenden und auch nicht auf die von der Rektorenkonferenz schon vielfach beklagte unzureichende Studierfähigkeit der AHS-Absolventen. So einfach darf man es sich zweifellos nicht machen! Dies ist ebensowenig zulässig wie die einseitige globale Schuldzuweisung an die Lehrenden, daß sie nicht ausreichend motiviert, zuwenig präsent, hochschuldidaktisch unzulänglich ausgebildet oder gar böswillige Prüfer seien. – All das greift zu kurz.

Vielmehr gilt auch hier: Die Rahmenbedingungen an der heutigen Massenuniversität stimmen einfach nicht. Zudem, und nicht zuletzt, müßte entweder die gesetzliche Mindeststudiendauer – soll ihr die realistisch erreichbare Regelstudiendauer nahekommen – den zunehmend gesteigerten Anforderungen der Studieninhalte angepaßt werden, oder es müßten, umgekehrt, diese entsprechend reduziert, entschlackt und schlanker gemacht werden, im Sinne eines Mutes zur Lücke und zum fächerübergreifenden, problemorientierten, exemplarischen Lehren und Lernen – und das natürlich ohne Verzicht auf und Verlust an Qualität. Jeder andere Vorschlag, der sich dieser klaren Alternative entzieht, wäre unehrlich.

Schon gar nichts kann ich mit folgender, fast schon ärgerlichen Leerformel – Leer mit zwei "e" – anfangen – ich zitiere –: "Angesichts der steigenden Bildungsnachfrage einerseits und eines enger werdenden finanziellen Spielraumes andererseits gewinnen Argumente, die auf die hohen Kosten traditioneller universitärer Ausbildung verweisen, an Gewicht." – Nona! Soll das – polemisch ein wenig verkürzt – im Klartext etwa heißen: Wir halten zwar am freien Hochschulzugang von immer mehr daran Interessierten fest – damit bin ich einverstanden –, und wir halten ebenso am Nulltarif fest – zu letzterem sage ich nur noch unter Vorbehalt ja –, aber es muß unter dem Strich weniger kosten, weil wir es uns ja gar nicht mehr leisten können? – Das wäre doch die Quadratur des Kreises, jedenfalls aber kein vertretbarer Lösungsansatz! Spätestens in diesem Punkt werden Ihnen die Universitäten – und zwar Lernende wie Lehrende – in seltener Einmütigkeit die Gefolgschaft aufsagen, mehr noch, sie werden vehementen Widerstand leisten, und das sogar mit Recht!


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