Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 89

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Bedenken Sie den Ernst der Situation: Aufgrund der prekären Finanzlage an den Universitäten ist es in vielen Studienrichtungen fast unmöglich geworden, die Studienmindestdauer plus einem Toleranzsemester pro Abschnitt einzuhalten, und zwar deshalb, weil es an den benötigten Seminar-, Praktika- und Laborplätzen in großer Zahl fehlt. Dadurch verlieren selbst fleißige, zügig studierende Teilnehmer ihr Anrecht auf Bezug der Familienbeihilfe. An diesen schweren Strukturmängeln vermag natürlich eine Studienreform allein überhaupt nichts zu ändern.

Auch die lange propagierte und als Allheilmittel beschworene Deregulierung des Studienrechts klingt gut, und sie ist es im Prinzip auch. Welcher akademische Lehrer und – weit darüber hinaus – wer überhaupt, der für freiheitliche Selbstbestimmung eintritt, wäre nicht für Autonomie und deren Stärkung und Ausbau in vertretbarem Maße? – Dennoch stößt diese Deregulierung auf zwei Ebenen an Grenzen.

Zum einen bleibt die Neuregelung der Studienabläufe und der Studiengestaltung in Teilbereichen so unbestimmt, daß sie das verfassungsgesetzlich vorgegebene Legalitätsprinzip verletzt. Oder – um es demokratiepolitisch zu formulieren –: All das geht am parlamentarischen Gesetzgeber vorbei. Solcherart werden sowohl der Bundesminister – wobei ich gerne einräume: dieser noch weit weniger – als vor allem auch die Organe der universitären Selbstverwaltung weithin völlig undeterminiert zu Verordnungen von größter Tragweite ermächtigt.

Wenn mir im Ausschuß vom zuständigen Referenten des Bundesministeriums entgegengehalten worden ist, daß der Verfassungsgerichtshof vergleichbare Delegierungen bei der Planung im Bereich der Raumordnung und der Bodenbewirtschaftung für zulässig erachtet hat, so überzeugt das nicht. Denn in allen anderen Sachbereichen trifft das keineswegs zu; dort hält der Verfassungsgerichtshof vielmehr an einem im internationalen Vergleich sogar durchaus problematischen, höchst formalen Verständnis des Legalitätsprinzips fest. Der inhaltliche Vergleich zwischen Raumordnung und Studienrecht hinkt doch wohl stark, auch wenn man die notorische Raumnot der Hochschulen dabei im Auge haben sollte.

Zum anderen sehe ich die Grenzen jeder Deregulierung des Studienrechts, sofern sie darauf abzielt, Freiräume für Innovationen zu eröffnen, in folgendem – und das ist mir persönlich sogar viel wichtiger als das formale verfassungsrechtliche Bedenken –: Eine Deregulierung zu den im Universitäts-Studiengesetz postulierten Zielen, also in der löblichen Absicht, durch unterschiedliche regionale und fachliche Schwerpunktbildungen der einzelnen Fakultäten einen echten Qualitätswettbewerb zu initiieren und zu stimulieren, setzt – sozialpsychologisch betrachtet – ein sehr leistungsorientiertes, kompetitives Verhalten voraus, welches durchaus jener Mentalität entspricht, die an US-amerikanischen und an japanischen Universitäten herrscht, das aber nicht so ohne weiteres auf Österreich übertragbar ist. Da muß auch das Wissenschafts- und Studienklima, also das gesamte Umfeld, stimmen. – Somit sind wir erneut auf die von mir bereits mehrfach angesprochenen Rahmenbedingungen des heutigen Universitätsbetriebs und -alltags zurückverwiesen. Von denjenigen an US-amerikanischen Universitäten können wir nur träumen. Um freilich nicht mißverstanden zu werden: Ich meine jetzt allerdings nicht die finanziellen Zugangsschranken, die dort herrschen!

Die für all diese hehren Ziele erforderliche Stärkung der Selbststeuerungskompetenz der Universitäten ist eben – das will ich betonen – nicht allein durch generelle Dezentralisierung und Deregulierung im Bereich der Studienvorschriften erreichbar. Im übrigen ist freilich schon durch das Universitäts-Organisationsgesetz 1993 mit der Aufwertung der Studiendekane zu geradezu autoritären monokratischen Aufsichtsorganen ein höchst problematischer Ausgleich für die vermehrte universitäre Selbstverwaltung geschaffen worden. Zudem lassen mich auch die echt drittelparitätisch besetzten Studienkommissionen – die Österreichische Hochschülerschaft fordert für die Zukunft sogar die Semiparität von Lehrenden und Lernenden – nicht unbedingt an eine Steigerung oder auch nur Beibehaltung der gegenwärtigen Qualitätsanforderungen des Hochschulstudiums glauben.

Über diese grundsätzlichen Einwände hinaus ist es meine aus langjähriger hochschulpolitischer und berufspraktischer Erfahrung begründete Überzeugung, daß das vorliegende Universitäts-Studiengesetz von seinen erklärten Zielen zumindest jenes einer adäquaten Zuordnung von


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