Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 99

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Beschäftigung, Hoffnung und auch Zukunft brauchen. Wissenschaft und Technik haben seit dem Beginn der industriellen Revolution, aber insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten Wirtschaft und Gesellschaft, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in einem in der bisherigen Menschheitsgeschichte auch nicht annähernd gekannten Umfang und Tempo verändert. Diese Entwicklung wird sich zunehmend in absehbarer Zukunft fortsetzen. Die Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnologie, in der Bio- und Gentechnologie, der Medizintechnik, Sensortechnik, Automatisation und Robotertechnik, um nur einige Bereiche der neuen Technologien zu nennen, werden die Gesellschafts- und Arbeitswelt weiter grundsätzlich verändern. Mit der Entwicklung und dem Einsatz neuer Erkenntnisse und Technologien sind Chancen und Risken verbunden. Es ist die wichtigste allgemeine Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, daß die mit den neuen technischen Entwicklungen verbundenen Möglichkeiten zur Steigerung der Lebensqualität, des Lebensstandards und zur Bewältigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Probleme genützt werden. Gleichzeitig muß getrachtet werden, Risken und Bedrohungen durch neue Technologien rechtzeitig zu erkennen und zu minimieren.

Aufgabe der Politik ist es, nicht nur dafür zu sorgen, daß der Nutzen der neuen Technologien für breiteste Bevölkerungskreise spürbar und erkennbar wird, sondern auch möglichst viele Menschen in die Lage zu versetzen, die neuen Technologien sinnvoll zu nutzen. Die Schaffung eines öffentlichen Meinungsklimas, in dem Wissenschaft, Technik und Innovation mehr als Chance und weniger als Bedrohung gesehen werden, ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche und rechtzeitige Implementierung neuer Technologien in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft.

Forschung und Entwicklung, die Produktion und Anwendung neuer Erkenntnisse, vor allem aber die Nutzung des vorhandenen zugänglichen Wissens, die häufig mit den Begriffen "Technologietransfer" und "Technologiediffusion" beschrieben wird, wurde zum wichtigsten Faktor der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Volkswirtschaften.

Im Rahmen der Wirtschafts- und Standortpolitik ist diesem Bereich daher in allen Industrieländern in der Vergangenheit zunehmende Beachtung geschenkt worden. Der Einsatz von Ressourcen für Forschung und Entwicklung durch die EU, die Nationalstaaten, die Regionen und die Unternehmungen wurde in den vergangenen Jahrzehnten erhöht. Österreich hat in den Bereichen Forschung und Entwicklung und Hochtechnologie im Vergleich zu den führenden Industrieländern quantitative und qualitative Defizite, die in den nächsten Jahren reduziert werden müssen.

Die Forschungsquote, also Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Staates und der Unternehmungen in Prozent des Bruttoinlandprodukts in Österreich, hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 1,3 Prozent im Jahr 1986 auf 1,5 Prozent 1995 erhöht. Trotzdem liegt Österreich bezüglich dieses Wertes deutlich hinter den führenden Nationen und Regionen. Im Schnitt der EU lag dieser Wert bei 2 Prozent, und im gesamten OECD-Bereich bei 2,2 Prozent. Schweden lag in den frühen neunziger Jahren bei 3,3 Prozent, Finnland bei 2,2, Schweiz bei 2,7, Japan bei 3,0 und die USA bei 2,9 Prozent. Für Deutschland beträgt dieser Wert rund 2,7 Prozent.

Beim Vergleich mit der EU und der OECD ist auch zu berücksichtigen, daß in diesen Werten erhebliche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für die Rüstungswirtschaft und die Raumfahrt enthalten sind. In der zivilen Forschung wiederum ist der Mitteleinsatz in Österreich in einem sehr hohen Maß auf die Universitäten konzentriert – 64 Prozent gegenüber 35 Prozent in der EU der 15. Die Erhöhung der Forschungsquote von 1,5 auf 2 Prozent würde jährlich einen zusätzlichen Mitteleinsatz von Staat und Unternehmungen in der Höhe von rund 10 Milliarden Schilling erfordern.

Der Rückstand Österreichs im Forschungs- und Entwicklungssektor zeigt sich auch bezüglich des Anteils von Forschern an den Gesamtbeschäftigten. In Österreich entfielen auf 1000 Beschäftigte 25 Forscher, in Nordamerika betrug dieser Wert 71, in der EU der 15 waren es 42, in der OECD 56, in Deutschland 59, in Schweden 57 und in der Schweiz 46. Auch hinsichtlich des Anteils von Universitätsabsolventen und insbesondere von Technikern an der Zahl der Gesamtbeschäftigten, also Akademikerquote und Technikerquote, ist dieser Rückstand festzustellen.


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