Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 50

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2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

11.54

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dieser Vorlage eines Bundesgesetzes über Suchtgifte, künftig verharmlosend Suchtmittelgesetz genannt, können und werden wir nicht zustimmen. Die vorliegende Novelle ist zwar gewiß von guten Absichten geprägt, die aber der harten Realität der zunehmenden Überschwemmung Österreichs durch harte Drogen nicht standhalten.

Ich darf dazu einige alarmierende Zahlen über die Entwicklung allein in der Bundeshauptstadt Wien nennen:

Zwischen 1990 und 1995 hat es eine Steigerung der Anzeigen von 1 612 auf 5 160, also von über 300 Prozent gegeben, bei Heroin von 403 auf 2 346, das heißt um 580 Prozent. Am schlimmsten ist aber zweifellos die tragische Zunahme der Zahl von Drogentoten von 36 im Jahr 1990 auf 122 im Jahr 1996.

Es würde daher zwar wohl jeder human eingestellte, kritische Betrachter gerne und überzeugt dem Grundsatz "Therapie statt Strafe" zustimmen, aber eben nur dann, wenn damit eine echte Lösung für diese dramatische Drogensituation, wie ich sie umrissen habe, erzielbar wäre. Scheinlösungen auf diesem Gebiet liefen hingegen auf bloße Scheinhumanität hinaus.

Eine Verwirklichung der Intentionen des Gesetzes scheitert jedoch bereits am eklatanten Mangel an tatsächlich verfügbaren Therapieplätzen. So war es bereits in der Vergangenheit, als das Problem der Süchtigkeit noch kein vergleichbares Massenphänomen war. Es ist daher durchaus kein fraktionell verengter Blickwinkel, wenn ich daran erinnern darf, daß es Abgeordneter Dr. Harald Ofner war, der als Justizminister der damaligen kleinen Koalition sogar am Beginn jener rechtspolitischen Bestrebungen stand, die heute erheblich erweitert werden sollen. Ich meine aber, daß es den Genannten ehrt und auch uns sehr nachdenklich stimmen sollte, wenn er heute in der Rückschau kritisch – das heißt, auch selbstkritisch – bemerkt, er habe selbst einmal an den erwähnten Grundsatz "Therapie statt Strafe" ehrlich und mit Optimismus geglaubt, die Praxis habe ihn dann eines Besseren belehrt. Dieses System habe sich als nicht funktionsfähig und undurchführbar erwiesen.

Gibt es eben keine auch nur annähernd ausreichende Anzahl von Therapieplätzen beziehungsweise sind die Wartezeiten, solche zu erlangen, viel zu lange, so haben selbst behandlungswillige Süchtige gar keine echte Chance auf einen Entzug. Vor dem Hintergrund dieser rauhen Wirklichkeit muß man zur Kenntnis nehmen, daß die Bekämpfung der Drogenkriminalität auch repressiver Maßnahmen der Rechtsordnung nicht entraten kann.

Die gesellschaftspolitische Legitimation dafür muß man meines Erachtens auch im folgenden sehen: Es geht nicht allein um die isolierte Alternative "heilen oder strafen", die ausschließlich auf den zweifellos hilfsbedürftigen Süchtigen bezogen und konzentriert ist, vielmehr muß man darüber hinaus nicht nur den Rechtsschutz unbeteiligter und am Elend der Süchtigen in aller Regel unschuldiger Dritter gegenüber der sogenannten Beschaffungskriminalität sehen, sondern vor allem auch den absolut vorrangigen rechtlichen wie sozialen Schutz der noch nicht Süchtigen durch bereits drogenabhängige, aber höchst gefährdete Jugendliche.

Diesen von mir zuletzt angesprochenen Interessengegensätzen und Zielkonflikten wird das vorliegende Gesetz jedoch keineswegs gerecht. Aus solcher Perspektive begegnen nämlich mehrere einschneidende Neuregelungen im Bereich des materiellen Strafrechts und des Straf


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