Bundesrat Stenographisches Protokoll 627. Sitzung / Seite 106

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17.10

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Dem vorliegenden Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich von 1995 werden wir nicht zustimmen. Dafür gibt es vielfältige Gründe:

In meiner Wortmeldung will ich aber nur einen einzigen, allerdings höchst problematischen Punkt behandeln. Ich stelle vorweg klar, daß meine diesbezüglichen Ausführungen das Justizressort überhaupt nicht betreffen und dem heutigen Ressortchef des Innenministeriums auch nicht persönlich gelten.

In dem Kapitel, das sich mit den Untersuchungen zur Aufklärung der Briefbomben- und Rohrbombenattentate befaßt, heißt es zur Bombenserie II auf Seite 155 zunächst einmal wörtlich –wie heute schon von Kollegen Königshofer zitiert –: "Zusätzlich zu den Fahndungs- und Ermittlungsschritten wurden zirka 350 Hinweise überprüft, 17 Hausdurchsuchungen und 28 Zellendurchsuchungen bei in Haft befindlichen Rechtsextremisten durchgeführt, sowie vier Telefonüberwachungen, drei Observationen und vier Verhaftungen vorgenommen." – Zitatende. – Soweit geht alles noch in Ordnung, damit habe ich keine Probleme.

Nicht mehr vertretbar erscheint mir aber die Formulierung des unmittelbar nachfolgenden Satzes. Ich zitiere erneut: "Es wurden alle in Österreich bekannten Personen der rechten Szene zu ihrem Alibi verhalten." – Zitatende.

Im Anschluß an eine durchaus seriöse Darstellung der Fakten im Ablauf dieser terroristischen Anschläge und ihrer Untersuchungen findet sich unvermittelt der von mir beanstandete Satz. Er trägt zur objektiven Sachinformation überhaupt nichts bei, sondern versteht sich meines Erachtens vielmehr eher als ideologisch voreingenommene Bewußtseinsbildung oder – besser – als Desinformation.

Was ist an einer solchen Darstellung zu kritisieren? – Zum einen fehlt in dem Bericht leider jede Aussage darüber, welche konkreten Ergebnisse diese Durchleuchtung der hier sogenannten "rechten Szene" erbracht hat, ob damit auch nur im geringsten zur Aufklärung der Anschläge beigetragen wurde. Zum anderen stellt sich unabweislich die drängende Frage, und zwar umso mehr, je weniger die angesprochenen Recherchen kriminalistisch erbracht haben, weshalb nur in dieser einen Richtung hin untersucht worden ist.

Diese kritische Frage ist nicht etwa erst aus heutiger Sicht zu stellen. Es bestanden vielmehr bereits damals durchaus Anhaltspunkte für einen möglichen Tatverdacht auch in ganz andere Richtungen. War es also zwingende politische Vorgabe oder pure ideologische Voreingenommenheit, daß ein einziger denkmöglicher Täterkreis beziehungsweise einschlägiger Hintergrund unterstellt worden ist? Durfte etwa gar nicht umfassend, das heißt in alle Richtungen hin, untersucht und ermittelt werden? – In der Tat äußerten sich, zumindest in der Vergangenheit, ranghohe Polizeifunktionäre wiederholt mehr oder weniger deutlich gerade dahin gehend.

Außerdem: Was soll in diesem Kontext "rechte Szene" heißen? – In der Sitzung des Rechtsausschusses am 3. Juni 1997 stellte auf die entsprechende Nachfrage des Bundesrates Dr. Tremmel der anwesende Repräsentant des Bundesministeriums für Inneres klar, daß damit rechtsextremistische Personen gemeint sind, die bis dahin bereits durch terroristische oder sonstige kriminelle Aktivitäten aufgefallen waren. Weshalb umschreibt der Sicherheitsbericht dann aber einen solchen Personenkreis mit der absolut unzutreffenden, weil so pauschalen wie diskriminierenden Wendung: "rechte Szene"? – Sie werden verstehen, daß ich das für keine bloß semantische Frage halte!

Nach meiner ehrlichen Überzeugung wäre es umgekehrt ebenso unzulässig und untragbar, würde man linksextreme Akteure als sogenannte autonome Gruppen, verniedlichte Anarchisten, RAF-Terroristen oder Alt- beziehungsweise Neo-Stalinisten als "linke Szene" bezeichnen. Das wäre zweifellos eine schwere Beleidigung der Sozialdemokratie, aber auch linksliberaler und linkskatholischer Kreise!


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