Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 51

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11.41

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Das vom Nationalrat am 10. Juli 1997 beschlossene Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität führt "besondere Ermittlungsmaßnahmen" ein; so heißt es farblos wie wertneutral.

Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich dem Gesetzesvorhaben in der vorliegenden Form nicht zustimmen kann. Zur Klarstellung meiner kritischen Position halte ich vorweg fest, daß es nicht der Bundesminister für Justiz, Herr Dr. Michalek, war, der auf diese einschneidenden Neuregelungen gedrängt hat. Vielmehr hat er in der 77. Sitzung des Nationalrates am 11. Juni 1997 im Zuge der Aktuellen Stunde zu dieser Thematik wörtlich folgendes ausgeführt:

"Das Bundesministerium für Justiz war, wie Sie wissen, nie ein Vorreiter oder Bannerträger von Ermittlungsmethoden wie Lauschangriff und Rasterfahndung. Ich habe", so Herr Dr. Michalek, "von Beginn an auf den schwerwiegenden Charakter der damit verbundenen Grundrechtseingriffe hingewiesen und bin deshalb für restriktive Lösungen, für eine angemessene Rechtskontrolle und für eine besonders gründliche Gesetzesvorbereitung eingetreten."

Demgegenüber war es das Bundesministerium für Inneres, das die Einführung beziehungsweise den Ausbau der elektronischen Ermittlungsinstrumente vehement gefordert hat. In der Sache verstehe ich das durchaus, weil auch ich den Ernst der Lage, die bedrohliche Entwicklung der grenzüberschreitend agierenden kriminellen Organisationen nicht verkenne. Angesichts des hohen Niveaus, das deren technische Ausstattung bereits erreicht hat, wird man der Exekutive Fahndungsmittel und Ermittlungsmethoden auf einem vergleichbaren Stand der modernen Technik zubilligen müssen. Mit anderen Worten: Es geht um die Herstellung der "Waffengleichheit" – im wahrsten Sinne des Wortes.

Nicht zuletzt räume ich ein, daß ursprünglich auch meine Fraktion für eine solche Neuregelung plädiert hat.

All das entlastet mich aber nicht von einer eigenverantwortlichen Abwägung des Für und Wider des gegenständlichen Vorhabens. Vornehmlich die weitreichenden Eingriffe in mehrere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechte beziehungsweise auch in völkerrechtlich verankerte Menschenrechte mahnen zu ernsthafter, kritischer Prüfung. Ich weiß mich dabei wieder mit dem Justizminister eines Sinnes, der im Zuge der Gesetzesvorbereitung stets um die Eingrenzung der mit den neu zugelassenen kriminaltechnischen Mitteln verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre und in die Persönlichkeitsrechte des einzelnen bemüht war.

Gewiß stehen auch die angesprochenen fundamentalen Rechte in aller Regel unter Gesetzesvorbehalten; und auch insoweit, als das nicht zutrifft, sind wenigstens immanente Schranken jener Verbürgungen anzuerkennen, insbesondere dann, wenn es um miteinander kollidierende Grundrechte geht.

Zweifellos berührt die Gefährdung der elementaren Sicherheit der Bevölkerung durch die internationale Bandenkriminalität ein vorrangiges Rechtsgut, beziehen doch jeder Staat und seine Rechtsordnung aus der Gewährleistung der inneren und der äußeren Sicherheit ihre primäre Legitimation. Freilich gilt selbst hierbei, daß der Zweck die Mittel nicht heiligt; präziser: daß jeder Staatseingriff – und zwar umso mehr, je intensiver er ist – dem Grundsatz der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Ob diesem Maßstab sachlicher Gerechtigkeit mit dem vorliegenden Gesetz entsprochen wird, eben das ist die Frage.

Von den künftig zugelassenen neuen elektronischen Ermittlungsmethoden erscheint mir im Gegensatz zu zahlreichen Kritikern, insbesondere aus den Reihen des Liberalen Forums und der Grün-Alternativen, der automationsunterstützte Datenabgleich, die sogenannte Rasterfahndung, noch als das vergleichsweise problemlosere Instrument. Das nicht nur deshalb, weil meines Erachtens der Datenschutz im Verhältnis zu anderen klassischen Grundrechten in seiner Bedeutung überbewertet ist, sondern vielmehr auch deshalb, weil bei der Rasterfahndung bloß Daten elektronisch miteinander verknüpft werden, die an sich bereits gesammelt, gespeichert und insofern nicht mehr unbekannt sind. Schon bisher hätten sie die Organe der


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