Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 55

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Therese Lukasser das Wort. – Bitte.

12.20

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In fünf Einzelvorlagen, die schon mehrmals genannt wurden, behandeln wir heute notwendige Anpassungen. Ich darf es vorweg sagen: Meine Fraktion wird diesen Änderungen gerne zustimmen.

Die wesentlichsten Ziele und Inhalte wurden auch bereits mehrfach genannt. An Berufsschulen sowie an berufsbildenden mittleren Schulen sollen für die Absolventen dieser Schularten Fördermöglichkeiten sowie zusätzliche Angebote im Bereich der Freigegenstände geschaffen werden, die den Zugang zur Berufsreifeprüfung erleichtern. Wie es an den Universitäten und Bundesmuseen schon derzeit vorgesehen ist, soll auch im schulischen Bereich die Schaffung von teilrechtsfähigen Einrichtungen zu einem weiteren Betätigungsfeld führen.

Der neu vorgeschlagene § 128c im Schulorganisationsgesetz stellt einleitend die rechtliche Situation dar. Es ist die unselbständige Anstalt Schule, der zur Durchführung bestimmter Aktivitäten Rechtspersönlichkeit eingeräumt wird. Zu den Aufgaben der teilrechtsfähigen Einrichtungen soll es künftig auch gehören, Bildungsangebote zu führen, die nicht schulische Angebote sind. Zu diesen zählen insbesondere Speziallehrgänge, Lehrgänge und Kurse, die nicht mehr vom Geltungsbereich des Schulorganisationsgesetzes umfaßt sein sollen.

Herrn Ministerialrat Dr. Jonak ist in diesem Zusammenhang zu danken, daß er uns im Ausschuß den holprigen Begriff "Teilrechtsfähigkeit" umfassend erläutert hat. Weiters ist in diesen Vorlagen enthalten, daß in den siebenten und achten Schulstufen der Hauptschulen, der AHS und in den entsprechenden Stufen der Allgemeinen Sonderschule der Unterrichtsgegenstand Berufsorientierung als nicht zu beurteilende verbindliche Übung mit Wirksamkeit vom 1. September gesetzlich verankert wird. Ich danke da Herrn Kollegen Meier, der das näher ausgeführt, so kann ich es mir ersparen.

Es ist eine Notwendigkeit im Hinblick auf die gegebene Wirtschaftslage und die gestiegenen Anforderungen im Berufsleben. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß die Berufsorientierung in den Polytechnischen Schulen, die sehr gerne angenommen wird, nicht nur einen Teil der Schüler erreicht, sondern auch in vielen Fällen zu spät kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Frau Elisabeth Gehrer, hat in einem Festvortrag am 10. November dieses Jahres in Innsbruck vor 2 000 Tiroler Lehrern eine chinesische Weisheit genannt. Sie sagte: Wenn der Wind stärker weht, dann bauen die einen Mauern und die anderen Segelschiffe. – Sie meinte dazu, diese Feststellung beschreibe sehr treffend die derzeitige Situation in unserer Gesellschaft und in unserem Bildungswesen. Der Wind der Veränderungen wehe derzeit besonders heftig. Es sei aber nicht zielführend, hohe Mauern zu bauen und sich dahinter zu verstecken. Um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden, sei es sicher besser, genau zu prüfen, woher der Wind weht, und dann Segelschiffe zu bauen, um neue Ufer zu erreichen.

Um bei dem genannten Bild zu bleiben: Welche Ufer wollen wir erreichen? – Es geht um die Ziele der Bildungspolitik. Sie sind Ihnen allen bekannt und liegen generell in der Sozialisation der jungen Menschen, in der Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, in der Vorbereitung auf eine berufliche und gesellschaftliche Position, in der Vermittlung von Methoden sozialen Lernens und Lebens und in der Einübung von Kritik und Loyalität, von Anpassung und Widerstand.

Wenn unsere Gesellschaft heute eine Bildungsgesellschaft genannt wird, so ist dies eher ein verklärender Ausdruck dafür, daß unsere Jugend heute länger als unsere Eltern und Großeltern in Erziehungseinrichtungen verweilen muß und mehr Erziehungsspezialisten ausgesetzt ist als jede frühere Generation. Wenn viel Erziehung durch berufsmäßige Erzieher und Lehrer für die Lebenstüchtigkeit der Erzogenen besser wäre als wenig, bräuchten wir uns keine Sorgen zu


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