Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 103

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Der Verfassungsgerichtshof führte dazu weiters aus, das Außerachtlassen der Unterhaltslast bewirke eine vergleichsweise höhere Belastung unterhaltspflichtiger Eltern, diese sei sachlich nicht zu rechtfertigen, auch nicht damit, daß die Tragung der Kinderlasten mit steigendem Einkommen leichter werde. Der ausschlaggebende Vergleich dürfe nicht zwischen Eltern mit niedrigerem und höherem Einkommen, sondern müsse zwischen unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen gleicher Einkommensstufe gezogen werden.

Mehrmals, Herr Minister, verweist der Verfassungsgerichtshof auch darauf, daß die Unterhaltsleistung an Kinder nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung ist. Der Verfassungsgerichtshof verlangt daher, daß zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, im Effekt steuerfrei bleiben müssen.

Bei seinen ersten Vorschlägen zu diesem Erkenntnis berücksichtigte der Finanzminister noch, daß die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Gleichheitswidrigkeit darin besteht, daß es bei einem horizontalen Vergleich von Personen gleicher Einkommenshöhe nicht angehe, daß ein Steuersubjekt, welches mit Unterhaltspflichten belastet ist, genausoviel Einkommensteuer zu entrichten hat wie jene, deren Leistungsfähigkeit nicht durch Unterhaltsleistungen beeinträchtigt ist, und daß es nicht um eine Umverteilung zwischen arm und reich geht, sondern um ein Hintanhalten einer überproportionalen Besteuerung von Einkommensteilen des Steuerpflichtigen, welche dem Unterhalt seiner Kinder dient.

Die in der Folge getätigten Äußerungen von seiten der einen Regierungspartei, der SPÖ, ließen dann erkennen, daß zwar an eine gewisse Entlastung der Familien durch höhere Transferzahlungen, aber an keine entsprechende Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit durch Unterhaltszahlungen für alle Familien gedacht ist. Laut einem in der Presse vorgestellten Modell Ihrer Partei, Herr Minister, soll zwar die Familienbeihilfe um 500 S für jedes Kind angehoben, die Mehrkinderstaffel bei den Kinderabsetzbeträgen jedoch beseitigt werden. Dies bedeutet für viele betroffene Familien einen um zirka 700 S niedrigeren Betrag gegenüber den ersten Aussagen, die Ihr Ministerium zu diesem Thema gemacht hat. Dabei haben Sie noch von 1 200 S gesprochen.

Im Unterschied zu Ihrer Partei bevorzugte das ebenfalls in der Presse vorgestellte ÖVP-Modell nur eine Erhöhung der Absetzbeträge um rund 400 S; das soll durch einen Vorgriff auf die Steuerreform des Jahres 2000 finanziert werden. Ein Angreifen des Familienlastenausgleichsfonds laut SPÖ-Plan lehnt die ÖVP in diesem Modell vehement ab.

Interessant ist, daß trotz der Aussage von Vizekanzler Schüssel vom 13. 1., wonach jedes Kind gleich viel wert sei, aber die Kosten für jeden Menschen in einem bestimmten Alter und in einer bestimmten Situation unterschiedlich seien, weil eine größere Familie mehr Kosten dadurch habe, da sie eine größere Wohnung, ein größeres Auto oder ähnliches brauche, die Modelle der SPÖ und ÖVP betragsmäßig sehr knapp beieinander liegen und daß nunmehr zu Recht angenommen werden muß, daß die derzeit geführte Diskussion zwischen den Regierungsparteien ein reines Scheingefecht im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen des laufenden Jahres ist.

Meine Damen und Herren! Eigenartig mutet dabei auch an, wenn Vertreter der ÖVP vergessen, daß sie seit mehr als zehn Jahren ebenfalls für die verfehlte Familienpolitik mitverantwortlich sind. Wer sonst hat neben der SPÖ dafür gesorgt, daß jede zweite Familie mit zwei Kindern an der statistischen Armutsgrenze und damit am Rande unserer Wohlstandsgesellschaft leben muß und daß bei Familien mit drei und mehr Kindern die Situation noch schwieriger wird, daß Familienleistungen in der Vergangenheit nicht valorisiert – wie dies von den Freiheitlichen regelmäßig gefordert wurde –, daß verfassungswidrige Familiengesetze beschlossen, daß überaus familienfeindliche Belastungen im Zuge des Belastungspaketes 1996 mitgetragen, und daß Familien zu Bittstellern degradiert wurden?

Meine Damen und Herren! Zu befürchten ist, daß das Ergebnis der geführten Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien ein fauler politischer Kompromiß wird, der an der vorgeschlagenen Betragshöhe der zusätzlichen Leistungen im wesentlichen nicht sehr viel ändern wird. Durch eine Erhöhung entweder der Absetzbeträge oder der Familienbeihilfe wird die Koalition


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite