Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 145

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Ein weiterer Punkt: Vergessen wir endlich diese schönen Makrovorteile des Tourismus! Wenn man im nachhinein frühere Berichte liest, nicht nur die meines Ressorts, stellt man fest, es war wunderbar. Der Tourismus hat die Zahlungsbilanz saniert, in Tirol die Beschäftigung gesichert und die Täler bevölkert, die Berghöhen mit Leuten versorgt. Hat irgend jemand davon gesprochen, ob während dieser Zeit die Betriebe Geld verdient haben? Hat irgend jemand davon gesprochen, ob in der Zwischenzeit Entrepreneur-Komfort gegeben war? Hat jemand davon gesprochen, ob man reinvestieren konnte, ohne sich neuerlich zu verschulden?

Das ist jetzt die Kernstunde. Schluß mit diesen Festpredigten! Es sollen sich gefälligst die Unternehmen selbst darum kümmern, ob sie überleben können, und wir schaffen ihnen dazu die Bedingungen. Das heißt also: Restrukturierungspolitik, weg mit der Hoffnung auf Hunderttausende Regionalverbände. Ich habe langsam den Eindruck, daß es leichter ist, zwei österreichische Energiegesellschaften zu fusionieren, als zwei Tiroler Tourismusverbände. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das ist entsetzlich! Darum mein Sodbrennen-Beispiel.

Wie lange höre ich schon diese Geschichten von den ausscheidungswilligen Betrieben! Ich habe sämtliche Landesfinanzreferenten bei mir gehabt und habe ihnen gesagt: Ich höre ständig, da wollen Betriebe ausscheiden. – Mir hat jeder Landesfinanzreferent versichert – jeder!  – , wenn Ansuchen kommen, sind wir gerne bereit, eine Umwidmung vorzunehmen und sie in der Wohnbauförderung für andere Zwecke umzugestalten.

Ich verstehe folgendes nicht: Tourismus ist Landessache. Langsam sollte es sich herumsprechen, daß das Motto "Land prahlt, Bund zahlt" nicht stimmen kann. Der Tourist, der gekommen ist, ist der Landestourismusreferent, der Tourist, der nicht kommt, ist der Bundesminister. (Heiterkeit.) So kann es nicht laufen!

Jetzt habe ich mich ein wenig entfrustet, um nun auch ein paar positive Dinge sagen zu können.

Es ist eine Tatsache, daß derzeit jene Unternehmen, in denen sich die Unternehmer selbst um das Marketing ihrer Betten kümmern, am besten ausgelastet sind. Tatsache ist, daß jene, die immer nur darauf warten, daß Zufluchtsgäste nichts anderes finden als ihr Lokal, zugrunde gehen werden. Daher werden wir im Wirtschaftsministerium daran arbeiten – wir nennen es "Aktion Tourismusscheck" –, daß die Unternehmer endlich von dieser Illusion weggehen: Irgendwer sorgt in irgendeinem Verband dafür, daß ein Gast zu mir kommt.

Der erfolgreichste Jungunternehmer Österreichs im Tourismus im Kleinen Walsertal – er hat den Gewinnpreis bekommen – wurde bei der Preisverleihung gefragt, warum er so erfolgreich sei. Seine Antwort bestand aus zwei Sätzen: Die Rahmenbedingungen in Österreich sind akzeptabel, aber um meine Gäste muß ich mich selbst kümmern. – Er hat mit 89 Prozent Auslastung über das ganze Jahr eine der besten Auslastungen in Westösterreich überhaupt.

Ich glaube also, wir müssen von einem ganzen Paket von Illusionen Abschied nehmen. Wir müssen uns vielmehr auf das direkte Marketing verlegen, statt uns darauf zu verlassen, daß irgendwer etwas macht.

Die Österreich Werbung konnte leicht erfolgreich sein, solange die Ausländer nirgends anders hinfahren konnten als nach Österreich. In der Zwischenzeit ist die Option der Wahl groß geworden. Wir müssen ganz anders agieren. Ich erinnere an die jetzige Tagung der Hoteliervereinigung in Bad Hofgastein. Uns sagen ausländische Wissenschafter, daß sich Tourismusorganisationen, die weniger als 1 Million Nächtigung repräsentieren, im fernen Ausland gar nicht zeigen sollten, und sie sagen auch, daß kleine, bis 400 000, eine Chance auf den Nachbarmärkten haben.

Dann fragt mich ein südkoreanischer Minister: It’s very lovely to see, one day, people from Guggenheim, the next day from Oberguggenheim and then from Underguggenheim come. Where to hell is Guggenheim? (Heiterkeit.) – Um es auf deutsch zu sagen: An einem Tag kommen Leute aus Guggenheim, am nächsten Tag aus Oberguggenheim und dann aus Unterguggenheim, und alle wollen einen Termin haben. Und der Minister sagt: Verdammt noch einmal, wo ist Guggenheim?! (Heiterkeit.)


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