Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 184

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Freilich sind die USA erst relativ spät zu dieser strikten Auffassung gelangt, wie sie sich vor allem in der Lex Holtzman widerspiegelt. In Zeiten des kalten Krieges galt noch ganz anderes; man denke nur an die Aufnahme und den prominenten Einsatz von bereits dem Dritten Reich dienstbaren führenden deutschen Wissenschaftlern wie Wernher von Braun, Walter Dornberger, Arthur Rudolph und vieler anderer. Das soll jedoch nichts daran ändern, daß wir die heutige Auffassung der USA durchaus verstehen.

Meine Vorbehalte gelten also – wie bereits eingangs betont – keineswegs dem Regelungszweck dieses Notenwechsels. Ich verhehle jedoch nicht meine skeptische Einschätzung, die sich aus der einstigen völkerrechtswidrigen Behandlung unseres ehemaligen Bundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim, der zu Unrecht mit Kriegsverbrechen in Zusammenhang gebracht wurde, und aus der jüngst erfolgten Beschlagnahme der zwei Schiele-Gemälde aus der Stiftung Leopold erklärt. Solche Übergriffe stellen nicht gerade vertrauensbildende Maßnahmen im Rechtsverkehr mit den USA oder bezüglich deren Rechtspflege oder Administration dar.

Deshalb hege ich, trotz Anerkennung der Zielvorstellung des Staatsvertrags, schwere Bedenken gegen die Art ihrer Umsetzung. Mein Unbehagen setzt allerdings bei folgendem grundsätzlichen Kritikpunkt ein: Bis heute sind wir zu keinem allgemeinen Amtshilfeabkommen mit den Vereinigten Staaten gelangt. Wir schließen nun ein solches lediglich in jenem Teilbereich ab, in dem die USA daran interessiert sind.

Die tendenzielle Einseitigkeit der getroffenen Vereinbarung wird vor allem an zwei problematischen Einzelregelungen schmerzlich fühlbar. So soll künftig die vorgesehene Amtshilfe durch Vernehmung von Auskunftspersonen in Österreich in der Weise vollzogen werden, daß zwar unsere Organe die Fragen stellen, den Vertretern der USA als des ersuchenden Staates aber eine intensive Beteiligung ermöglicht wird. Mag es noch aufgrund so mancher Staatsverträge und sogar faktischer Übung durchaus in Betracht kommen, daß Vertreter des ersuchenden Staates der Vernehmung als Beobachter beiwohnen, so entspricht es doch keineswegs internationaler Gepflogenheit, daß diese ausländischen Repräsentanten auch das Recht haben, sich aktiv in die Vernehmung einzuschalten und insbesondere die Stellung von Fragen anzuregen.

Im vorliegenden Abkommen wird indes Vertretern des ersuchenden Staates eben diese Befugnis eingeräumt. Sie klingt relativ harmlos, muß aber nach der normativen Kraft des Faktischen als erhebliche Einwirkung auf das inländische Verfahren bewertet werden, wenn man dabei das politische Gewicht eines Repräsentanten der USA nicht ungebührlich außer acht läßt. Sie ist zudem überflüssig, weil das Amtshilfeersuchen grundsätzlich eine Darstellung der gewünschten Zeugenaussage geben soll, die ohnehin eine Liste der Fragen enthalten kann, die der Auskunftsperson zu stellen sind.

Gewiß liegt in dieser starken Verfahrensbeteiligung des Vertragspartners insofern kein Eingriff in die österreichische Souveränität, als wir uns selbst dazu verpflichtet haben. Ich unterstelle dabei durchaus, daß wir diese Vereinbarung in voller, das heißt in keiner Weise verdünnter, politischer Willensfreiheit abgeschlossen haben. In der Tat ist anzuerkennen, daß wir im Notenwechsel wenigstens ausdrücklich verankern konnten, daß selbständige Ermittlungstätigkeiten von Vertretern des ersuchenden Staates im ersuchten Staat unzulässig sind. So gewiß das nämlich kontinentaleuropäischer Rechtstradition wie allgemeinem Völkerrecht entspricht, so wenig sehen amerikanische Gerichte ein Problem darin, wenn etwa in den USA zugelassene Rechtsanwälte im Ausland Akte der Sachaufklärung setzen, die nach unserem Verständnis zum Beweisverfahren gehören, das stets der Richter leitet.

Ganz entschieden abzulehnen ist jedoch vor allem die im zweiten Satz des Abs. 4 des Abkommens getroffene Regelung. Danach gilt folgendes: "Teilt der ersuchte Staat mit, daß die von ihm übermittelten Auskünfte oder Schriftstücke nicht weitergegeben oder nur zu ganz bestimmten Zwecken oder nur während eines bestimmten Zeitraumes verwertet werden dürfen, so hat der ersuchende Staat diese Beschränkungen in dem Maße zu beachten, wie dies nach seiner Rechtsordnung gestattet ist." Das ist meines Erachtens sachlich unvertretbar. Der ersuchende Staat müßte nämlich stets und uneingeschränkt den Vorbehalt respektieren, unter dem ihm der ersuchte Staat nach vertraglicher Übereinkunft das Beweismaterial übermittelt hat. Wenn ich,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite