Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 113

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müssen, damit die Bewohner einer Gemeinde entsprechend informiert werden können, wenn sich ein solcher Sexualstraftäter dort niederläßt. In der Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des einzelnen und dem Schutz der Gesellschaft beziehungsweise der Kinder muß, glaube ich, unbestreitbar letzteres Vorrang haben.

Auch in der Gesellschaft ist natürlich jeder einzelne von uns gefordert. Aufmerksamkeit, Schutz und Hilfe in der Familie, in der Schule und in der Nachbarschaft sollten eine Selbstverständlichkeit sein.

Ein dritter wesentlicher Bereich, der leider Gottes nicht nur in der Gesetzespraxis, sondern auch in der Diskussion vielfach ausgeklammert wird, ist jener des Opferschutzes. Es wird sehr viel von den Tätern gesprochen, es wird sehr wenig von den Opfern gesprochen. Wenn man sich die Gesetze und Verfahren sowie vor allem die Art und Weise, wie diese in der Praxis angewendet werden, ansieht, dann erkennt man, daß sich fast alles ausschließlich auf den Täter konzentriert. Die Opfer werden weitestgehend allein gelassen, mit Ausnahme – das möchte ich hier einmal ausdrücklich feststellen – der vielfach hervorragende Arbeit leistenden ehrenamtlichen privaten Opferhilfeorganisationen.

Es gibt zwei Stufen, die das Opfer eines sexuellen Mißbrauchs traumatisieren: zum einen die Tat selbst und zum zweiten das, was danach passiert. Hier geht es nicht nur um eine an sich selbstverständliche, verbesserte Information der Opfer, sondern auch darum, daß das Opfer in den Verfahren eine entsprechende Stellung bekommt. Derzeit sind die Opfer als Opferzeugen bloße Objekte eines Verfahrens, sie besitzen keinerlei Antragsrechte, keinerlei Möglichkeiten, einzugreifen.

Wir haben auch hier in diesem Haus, wie ich mich erinnern kann, schon einmal mit Ihnen, Herr Bundesminister, die Frage einer sofortigen Schadenswiedergutmachung im Rahmen eines solchen Verfahrens diskutiert, ohne daß das Opfer erst den zivilrechtlichen Weg beschreiten muß. Die freiheitliche Fraktion hat bereits im Jahr 1996 einen entsprechenden Antrag auf Änderung der Strafprozeßordnung und der Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern und zur Miterledigung der privatrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren eingebracht. Ich entnehme Äußerungen von Ihnen, Herr Bundesminister, daß Sie einer solchen Regelung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Daher würde ich Sie bitten, daß Sie das auch endlich einmal durchführen und nicht immer nur davon sprechen.

Selbstverständlich sollte es auch sein ... (Unruhe. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Ludwig Bieringer: Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie störe. Ich möchte eindringlich bitten, Unterhaltungen außerhalb des Plenarsaales zu führen. Es ist äußerst störend für die Rednerin oder den Redner, wenn dauernd geschwätzt wird. Es kommt dann vor, daß mancher aufgrund der schlechten Akustik nicht das versteht, was gesagt wird.

Frau Dr. Riess-Passer, ich bitte Sie fortzusetzen.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident.

Sehr wesentlich ist auch die Frage der Vernehmung, besonders jene der jugendlichen Opfer, in einem solchen Verfahren. Es gibt seit 1994 in Österreich die Regelung der Videovernehmung, die an sich zweckmäßig ist, nur oft daran scheitert, daß die entsprechenden Einrichtungen nicht vorhanden sind. Grundsätzlich muß dafür gesorgt werden, daß den Kindern, wenn irgend möglich, die Vernehmung im Gerichtssaal erspart bleibt, daß auch bei Vernehmungen durch die Exekutive Vertrauenspersonen anwesend sind und daß das Opfer in jedem Fall eine Prozeßbegleitung durch einen Opfer- oder Kinderanwalt bekommt. Das ist eine Regelung, die schon in vielen anderen Staaten sehr erfolgreich praktiziert wird und, wie ich glaube, auch bei uns dringend erforderlich wäre.

Ein weiterer wichtiger Punkt wäre – auch diesbezüglich bitte ich Sie, Herr Justizminister, dafür zu sorgen, daß man sich einmal darüber Gedanken macht –, daß die Prozesse schneller abgewickelt werden. Das laufende Verfahren und alles, was damit verbunden ist, stellt eine dauernde


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