Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 15

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Gibt es von Ihrer Seite her Berechnungen dahin gehend, wie hoch die Kosten der Familienreform wären, wenn die Verfassungskonformität nach allen Seiten gewährleistet wäre?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich gehe zunächst einmal davon aus, daß es das legitime Recht jedes einzelnen Bürgers ist, mit einer legistischen Lösung nicht einverstanden zu sein. Der Verfassungsgerichtshof wird sich sicherlich – ich nehme an, es wird so sein – mit dem Problem der Familienbesteuerung noch einmal beschäftigen müssen.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sagt ja nur aus, daß für Verdiener, deren Einkommen im oberen Drittel der Einkommen angesiedelt ist – 800 000 S Jahreseinkommen und darüber –, im Falle des Vorhandenseins älterer Kinder, also solcher über 19 Jahre, der Betrag, der durch die Kumulierung von Absetzbetrag und Transferleistung entsteht, nicht geeignet ist, die entsprechende Unterhaltspflicht abzudecken, und zwar in dem Ausmaß, in dem das erforderlich ist. Eine rein diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entsprechende Korrektur der Familienbesteuerung hätte in der Art, wie wir sie jetzt vorfinden, maximal eine Milliarde Schilling gekostet, hätte aber den Effekt gehabt, daß Einkommensstarke zusätzliche Leistungen bekommen hätten, während Einkommensschwache, nämlich Mehrkinderfamilien, aber auch Alleinverdiener, die erheblich größere Probleme haben als andere, die Familienbeihilfe beziehungsweise die Absetzbeträge unverändert bezogen hätten, also so wie bisher. Dies war jedoch aus Gründen der sozialen Ausgewogenheit nicht der Wunsch der Koalitionsregierung.

Daher sind wir von dem Grundsatz: Jedes Kind ist gleichviel wert! ausgegangen und werden im Zieljahr 2000 einen Betrag in der Größenordnung von 500 S – Absetzbetrag und Familienbeihilfe – dazugeben. Familien mit drei oder mehr Kindern, die unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegen und die besonders stark Gefahr laufen, unter die Armutsgrenze zu sinken, werden noch eine zusätzliche Förderung erhalten. Dadurch ergibt sich das Gesamtvolumen von 12 Milliarden Schilling.

Offen ist die Frage – diesbezüglich gibt es noch kein Erkenntnis –, wie die Unterhaltsverpflichtung im Falle einer Scheidung zu lösen ist. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich weiß nicht, wie der Verfassungsgerichtshof entscheiden wird, aber ich hoffe sehr, daß das Erkenntnis nicht einer Aufforderung zur Scheidung gleichkommen wird. Sollte ein Erkenntnis vorliegen, das bedeutet, daß ein Kind aus einer geschiedenen Ehe das doppelte Ausmaß an Familienförderung erhält, weil beide Elternteile dann das gleiche bekommen, so ist das eine indirekte Aufforderung zur Scheidung. Ich würde eine solche Vorgangsweise politisch für kontraproduktiv im Hinblick auf die Familie betrachten. Ich hoffe sehr, daß es nicht zu solch einem Erkenntnis kommt, denn ich bekenne mich zur Familie – durchaus auch aufgrund meines gesellschaftspolitischen Verständnisses.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Fischer gewünscht. – Bitte.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Höhe der nunmehr beschlossenen Maßnahmen zur Familienförderung im Hinblick auf die Steuerreform 2000?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Für mich ist natürlich die Änderung im Zusammenhang mit der Familienbesteuerung eine gewisse Vorwegnahme der Steuerreform; das ist gar keine Frage. Es sind immerhin 5 Millionen Österreicher – so viele Bürger leben in Familienverbänden – von dieser Maßnahme positiv betroffen, werden dadurch gefördert, was zu einer Kaufkrafterhöhung dieser Familien führen wird. Ich gebe aber zu, daß damit das Gesamtproblem der Progression nicht erledigt ist. Es wird darauf ankommen, in welcher Weise im Rahmen der Steuerreform eine Manövriermasse herzustellen ist, die auch Tarifsenkungen in anderen Bereichen der Lohn- und Einkommensteuer ermöglicht.


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