Bundesrat Stenographisches Protokoll 637. Sitzung / Seite 67

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14.33

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute auch den Hebammenbericht, den Sie, Frau Ministerin, auf Anfrage der Vorarlberger Bundesräte dem Bundesrat zugesandt haben. Kollegin Giesinger ist darauf schon eingegangen.

Die sechs Bundes-Hebammenakademien in Wien, Graz, Salzburg, Linz, Innsbruck und Klagenfurt stellten bisher noch jeweils 24 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Dazu kamen in der letzten Zeit auch die 15 Plätze der Hebammenakademie der Gemeinde Mistelbach. 1994 gab es in Österreich 1 340 Hebammen. Der Fehlbestand in den österreichischen Krankenanstalten betrug in diesem Jahr immer noch 287. Zu den 278 frei praktizierenden Hebammen konnten Sie, Frau Ministerin, in Ihrem Bericht einen Fehlbestand von 32 ausweisen. Die Zahl der öffentlich bestellten Hebammen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden ist von 352 im Jahre 1973 auf nur mehr neun zurückgegangen. Die Zahl der Familien- und Sprengelhebammen läßt sich nur mehr in einer Restgröße von zwölf in ganz Österreich ausdrücken.

Frau Bundesministerin! In Ihrem Hebammenbericht an uns drohen Sie auch an, den Betrieb eigener Bundes-Hebammenakademien mittelfristig einzustellen und bereits ab 1998 nur noch an zwei Standorten einen solchen Lehrgang anzubieten. Im Ausschuß konnten wir erfahren, daß das Salzburg und Klagenfurt mit jeweils 24 Plätzen sein werden. Sie begründen dies in diesem Hebammenbericht mit einer Geburtenprognose, die von unserer Seite aus nur als eine Fehleinschätzung oder auch als ein Ergebnis einer verfehlten Familienpolitik interpretiert werden kann. Obwohl die Zahl der Lebendgeburten seit den frühen achtziger Jahren zwischen einem Maximalwert – ich zitiere hier die Zahlen aus Ihrem Bericht – von 95 302 im Jahre 1992 und einem Minimalwert von 86 503 im Jahre 1987 hin- und herpendelt und in den Jahren 1995 und 1996 wieder auf 88 700 oder 88 800 anstieg, setzt die Prognose ab 1994 bereits mit um 2 000 bis 3 000 Lebendgeburten unterschätzten Zahlen an und geht von einem kontinuierlichen Rückgang aus, der aus der bisherigen Entwicklung überhaupt nicht abzulesen ist.

Sie prognostizieren einen Rückgang der Zahl der Lebendgeburten vom Jahre 1994 mit 90 540 auf das Jahr 2010 mit 75 375. In Ihrem Bericht werfen Sie eine Prognose für das Jahr 1994 aus, nämlich 90 540. Tatsächlich, Frau Ministerin, hatten wir aber im Jahr 1994 92 415 Lebendgeborene. Sie sehen also, daß Ihre Prognose um Tausende von Geburten daneben lag und daß auch die Entwicklung der Geburtenzahlen in all den Jahren, die Sie hier im Bericht ansprechen, nicht eine lineare Abwärtsbewegung darstellt, sondern eine Wellenlinie.

Der vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen errechnete Hebammenbedarf von 1 188 für das Jahr 2000 und 1 105 für das Jahr 2010 fußt deshalb nicht nur auf einer haltlosen Lebendgeburtenprognose, sondern auch auf einer Vollzeitbeschäftigung von 1 500 Arbeitsstunden pro Jahr und einer nur siebenstündigen Wochenbettnachbetreuung. Aufgrund der kürzeren Verweildauer von Wöchnerinnen und Kleinkindern im Krankenhaus, auch als Folge der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung und der neuen Abrechnung, wäre nach unserem Dafürhalten im Gegenzug die Betreuung durch Familien- und Sprengelhebammen auszubauen. Aber das Gegenteil scheint, wie es in diesem Bericht heißt, die Absicht der Bundesregierung zu sein. Der Bedarf an frei praktizierenden Hebammen wird vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen nach dem Ausmaß der Hausgeburten und nicht nach dem zusätzlichen Nachbetreuungsbedarf berechnet.

Frau Ministerin! In diesem Bericht ist zu lesen, daß sich beim Hauptverband bisher 80 Hebammen um Einzelverträge beworben hätten, denen die Einrichtung einer Ordination bis zum Jahre 2000 zur Auflage gemacht worden sei, wonach die Wöchnerinnen mit ihren Säuglingen diese Ordinationen aber in der Regel selbst aufzusuchen haben, sobald dies medizinisch zumutbar sei. Wir sind der Ansicht, frei praktizierende Hebammen sollten, wann immer es möglich ist, die Mütter mit ihren Kindern in deren Wohnungen betreuen können.

Die Prognosen, die Sie in diesem Bericht stellen, Frau Ministerin, sind nach unserem Dafürhalten unglaubwürdig. Die Maßnahmen, die Sie hier setzen wollen, sind für uns ein neues Indiz für eine familienfeindliche Haltung dieser Bundesregierung. Wir Freiheitlichen werden deshalb selbstverständlich diesen Hebammenbericht nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen.


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