Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 75

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durch regionale Verwaltungsgerichte des Bundes oder am besten durch Landesverwaltungsgerichte.

Die zuletzt genannte Lösung war stets – wir haben das heute wieder mehrfach gehört – eine zentrale Forderung im Zusammenhang mit der sogenannten Bundesstaatsreform. Umso bedauerlicher ist es, wenn derzeit gerade die Bundesländer keine echte Initiative zur Einrichtung solcher Landesverwaltungsgerichte entfalten. Ob das daran liegt, daß die Exekutivorgane der Länder, insbesondere Landeshauptleute und Landesregierungen, befürchten, durch eine allzu effektive Rechtskontrolle eine Beschneidung ihrer politischen Macht hinnehmen zu müssen, oder ob sie lediglich – wie heute ausgesprochen – die Finanzierung dieser Gerichtshöfe aus den Landeshaushalten nicht für gesichert erachten, mag dahingestellt bleiben.

Gewiß läge es insofern auch am Bund, sich zunächst in jenem Ausmaß an den Kosten der neu einzurichtenden und zu erhaltenden Landesverwaltungsgerichte zu beteiligen, als er selbst durch eine entsprechende Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes an Kosten einsparte. Der Rechtszug von den Verwaltungsgerichten erster Instanz an den Verwaltungsgerichtshof in Wien wäre dann nur noch zur Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und zur Wahrung einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung zu eröffnen.

Eine entsprechende Befugnis des Gerichtshofes, die Annahme sonstiger Beschwerden, bei denen diese Voraussetzungen nicht zutreffen, abzulehnen, brächte ihm die dringend gebotene Entlastung.

Signifikant für das bereits angedeutete Entlastungspotential erscheint die prozentuelle Verteilung der gegenwärtigen Erledigungsarten. 43 Prozent Formalentscheidungen und 37 Prozent Abweisungen der Beschwerden als unbegründet standen nur 20 Prozent Aufhebungen des angefochtenen Bescheides gegenüber; also 1 780 Fälle von insgesamt 8 903 Erledigungen.

Zur Illustration aber zurück zu den Anfallszahlen. Im Berichtsjahr fielen 12 790 Beschwerden an – gegenüber 1995 eine weitere Steigerung um zirka 15 Prozent, bei den 6 303 Anträgen auf Gewährung von aufschiebender Wirkung eine solche um 42 Prozent. 8 903 Beschwerden wurden im selben Zeitraum erledigt, somit um zirka 14 Prozent mehr als im vorangegangenen Geschäftsjahr; ebenso 6 317 Anträge auf Gewährung von aufschiebender Wirkung, das waren um 76 Prozent mehr als im Vorjahr.

So beachtlich diese Steigerung der Erledigung auch ist, vermag sie doch an folgender trister Bilanz nichts zu ändern: Zu Beginn 1996 waren aus den Jahren von vor 1992 einschließlich 1992 noch 230 Fälle, aus dem Jahr 1993 621 Fälle und aus dem Jahr 1994 1 476 Fälle nicht abgeschlossen. Somit waren 2 327 oder 24 Prozent der damals offenen Beschwerdefälle länger als ein Jahr anhängig. Ferner blieben am Ende des Berichtsjahres 13 638 anhängige Beschwerden und 1 464 Anträge auf Zuerkennung von aufschiebender Wirkung unerledigt. Bei den Beschwerdesachen bedeutete dies gegenüber 1985 eine Erhöhung um 40 Prozent. Im Ergebnis hatte sich die Zahl der anhängigen Rechtssachen somit innerhalb von zwei Jahren von 6 442 auf 13 638 mehr als verdoppelt. Zudem lag die Gesamtzahl der Ende 1996 länger als ein Jahr anhängigen Beschwerden bei 4 642, was 34 Prozent aller anhängigen Fälle entspricht. Demnach hat die ständige Überlastung eine drastische Erhöhung der Rückstände bewirkt, was sich in der entsprechenden Verlängerung der Verfahrensdauer ausdrückt.

Bemerkenswert ist auch die Proportion zwischen dem Beschwerdeanfall von 266 pro Berichter, gegenüber 232 im Vorjahr, und der Erledigungszahl von 185 pro Berichter. Daraus erklärt sich, daß bereits 1995 im Durchschnitt 324 Fälle pro Monat zusätzlich unerledigt blieben. Für 1997 wurde daher mit einem Anwachsen der Rückstände auf zirka 16 500 Rechtssachen gerechnet. Gegenüber dem Jahr 1988 hat sich diese Zahl damit bereits vervierfacht.

Nach all dem kann folgende Einsicht, die im Bericht aufscheint, nicht länger verwundern: Die Einhaltung der sich aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zulässige Dauer der Beschwerdeverfahren kann bei Fortdauer der derzeitigen Situation nicht mehr in allen Fällen gewährleistet werden.


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