Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 77

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Neuerlich zitiere ich hiezu wie folgt aus dem Bericht: Gerade deshalb muß aber raschest gehandelt werden, da infolge der seit dem ersten Alarmzeichen tatenlos verstrichenen Zeit nicht mehr sehr viel Zeit bleibt, um den Verfallprozeß noch umkehren zu können. – Ende des Zitats.

Dieses bedrückende Resümee veranlaßt mich, die Abgeordneten der Regierungsparteien nochmals nachdrücklich aufzurufen, gemeinsam mit uns für jene unerläßlichen institutionellen Rahmenbedingungen einzutreten, die erst wieder eine funktionsfähige Rechtsprechung der Höchstgerichte ermöglicht. Das sind wir alle dem Bürger schuldig, der einen grundrechtlich gesicherten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hat. Nicht zuletzt versucht der Bericht, zutreffend ins Bewußtsein der Verantwortlichen zu heben, daß ein Nichtfunktionieren des Rechtsstaates ungleich mehr Folgekosten verursachen würde, als durch die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz bei gleichzeitigem Wegfall einer Verwaltungsinstanz an Mehrkosten entstehen könnte.

Da wir jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür ersehen können, daß Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Alarmsignale und Appelle der vorliegenden Tätigkeitsberichte ernst nehmen, setzen wir ein Zeichen des Protestes. Solange sie seitens der Verantwortlichen offensichtlich folgenlos bleiben, reagieren wir auf diese Berichte in der Form, daß wir sie nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.24

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile ihm dieses.

14.24

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Herr Staatssekretär ist im Moment nicht da. – Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind noch keine neun Monate vergangen, seit hier im Bundesrat am 24. Juli des Vorjahres eine dringliche Anfrage der freiheitlichen Bundesräte betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte diskutiert wurde.

Ich muß gestehen, daß ich mich an diese Anfrage, insbesondere beim Studium des Berichtes über die Tätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1996, wieder erinnerte. Schon in der Einleitung unter den Allgemeinen Bemerkungen des Berichtes sind Feststellungen getroffen worden, die ich jetzt nicht mehr zu zitieren brauche, nachdem sie Herr Dr. Böhm schon sehr ausführlich verlesen hat. Dennoch ist es eine öffentliche Anklage bezüglich der Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Ähnliches gilt auch für den Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof hat es offenbar in realer Einschätzung der Ausweglosigkeit unterlassen, auf eine derart drastische Überlastung in ähnlicher Form zu reagieren. Die vorgelegten Zahlen sprechen allerdings eine ebenso deutliche Sprache. Waren es 1981 noch 877 Akten, die neu anfielen, und 694 Akten, die erledigt werden konnten, blieben dennoch am Jahresende 1 545 als unerledigt offen.

1996 fielen 15 894 Akten an, 4 714 wurden erledigt, und 13 182 blieben offen. Berücksichtigt man dabei, daß 11 122 Beschwerden allein zur Mindestkörperschaftssteuer erhoben wurden, so blieben dennoch 4 772 normale Fälle beziehungsweise 2 060 am Jahresende offene Beschwerden übrig.

Bei den Beschwerden zur Mindestkörperschaftssteuer handelt es sich überdies um die größte bisher angefallene Serie von Beschwerden, die 1997 einer den Besonderheiten der Situation entsprechenden Erledigung zugeführt wurde. Allein mit der Registrierung der zu dieser Serie gehörenden Beschwerden war ein enormer administrativer Aufwand verbunden, der nach Darstellung des Verfassungsgerichtshofes nur unter Aufbietung aller Kräfte bewältigt werden konnte.

Die Brisanz derartiger Entwicklungen darf keinesfalls bagatellisiert werden, ebensowenig aber zu einer Fehleinschätzung führen. Lassen Sie mich deshalb mögliche Lösungsansätze erarbeiten. Ich beziehe mich dabei auch auf die in den Berichten angeführten Vorschläge, ebenso wie auf jene, die anläßlich der im Vorjahr geführten Diskussion erhoben wurden.


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