Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 78

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Die Funktionsfähigkeit der Höchstgerichte kann nicht durch schrankenlose Vermehrung richterlicher Planstellen, sondern nur durch drastische Verringerung des Beschwerdeanfalls aufrechterhalten werden. Ansätze in diese Richtung wurden bisher – aus welchen Gründen auch immer – nicht besonders dringlich behandelt.

Zur Verringerung des Beschwerdeanfalls kann sicherlich auch die notwendige Eindämmung der Gesetzgebung führen. Dies ist ein Vorwurf auch an den Bundesrat selbst, da es wenig Sinn macht, mit dazu beizutragen, Novellen zu beschließen, noch ehe das Gesetz selbst in Kraft treten konnte. (Bundesrat Dr. Bösch: Richtig! – Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!) Diese unüberlegten, oft unter Zeitdruck erfolgten Gesetzesbeschlüsse sorgten in der Vergangenheit mit Recht für Unverständnis in der Öffentlichkeit, Unsicherheit in der Anwendung und damit automatisch für eine weitere Belastung der Höchstgerichte. (Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo! – Bundesrat Dr. Bösch: Wir werden Sie beim Wort nehmen, Herr Kollege! – Demonstrativer Applaus des Bundesrates Mag. Gudenus. )  – Sie können mich immer beim Wort nehmen.

Die massivste und umfassendste Lösung wäre sicherlich die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen. Diese Lösung geht vom Grundgedanken aus, daß die derzeit bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate durch Landesverwaltungsgerichtshöfe abgelöst werden und damit dem Verwaltungsgerichtshof in Wien gleichsam als erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgeschaltet werden.

Durch eine zweiinstanzige Verwaltungsgerichtsbarkeit soll nicht nur eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes in Wien erreicht werden, sondern darüber hinaus in der Form der Landesverwaltungsgerichte eine gerichtliche Instanz gebildet werden, die im Sinne des Artikels VI Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowohl in Angelegenheiten der strafrechtlichen Anklage in Verwaltungsstrafsachen als auch über zivilrechtliche Ansprüche, die im Zusammenhang mit verschiedenen Verwaltungsangelegenheiten auftreten können, entscheiden kann.

Im Zusammenhang mit den Vorschlägen zur Bundesstaatsreform und den dabei vorgesehenen Bestimmungen, die mit der Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung im Zusammenhang stehen – insbesondere mit dem Entfall des in der mittelbaren Bundesverwaltung möglichen Rechtszuges an den zuständigen Bundesminister –, käme Landesverwaltungsgerichten künftig vornehmlich die Funktion zu, im Bereich der bisherigen mittelbaren Bundesverwaltung, soweit sie durch eine weitgehend autonome Landesvollziehung ersetzt wird, den Verlust einer Berufungsinstanz in der Gestalt des zuständigen Bundesministers wettzumachen.

Dazu muß man objektiverweise aber auch festhalten, daß der Bundesminister als Berufungsinstanz in der Praxis äußerst selten zum Tragen kam. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch, daß der Verzicht auf eine Berufungsinstanz politischer Organe – konkret auf den Bundesminister – und die Übertragung an unabhängige Senate den Entfall parlamentarischer Kontrollrechte mit sich bringen werden.

Erfreulicherweise haben wir heute – sowohl vom Herrn Bundeskanzler als auch vom Herrn Landeshauptmann aus Salzburg – Erklärungen gehört, daß es in dieser Frage zu einem Einvernehmen kommen wird und daß dieser Bereich der Landesverwaltungsgerichtshöfe in absehbarer Zeit realisiert werden kann.

Entscheidend – das ist in dieser Debatte besonders zum Ausdruck gekommen – ist dabei aber die Finanzierungsfrage. Daß die Länder diesbezügliche Forderungen stellen, ist legitim, und ich hoffe, daß es auch in diesem Bereich zu einer Lösung kommt – frei nach dem Motto: "Wer anschafft, soll zahlen".

Nach der Neugestaltung der der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde liegenden Konzeption soll es künftig in jedem Land ein Landesverwaltungsgericht geben. Lediglich für das Land Wien wird eine Ausnahme insofern vorgesehen, als es besondere Landesverwaltungsgerichte für bestimmte Aufgabenbereiche – in Anknüpfung an die bestehende Behördenstruktur – geben kann.


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