Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 82

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schon sehr viel gesagt worden über die zur Diskussion stehenden Berichte über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes beziehungsweise des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1996. Wenn wir über diese Berichte diskutieren, sollten wir uns natürlich auch die Hintergründe ansehen, die teilweise schon erwähnt worden sind.

Der eine Hintergrund ist wohl, daß es große gesellschaftliche Veränderungen gibt, und zwar sowohl im Inland, also in Österreich, als auch vom Ausland her; ich meine damit die starken Migrationsbestrebungen.

Kollege Bösch hat soeben von der Gesetzesflut gesprochen. Zweifellos ist diesbezüglich eine große Sensibilisierung der Bevölkerung zu vermerken. Es gibt den Wunsch nach Reglementierung, dadurch entsteht natürlich auch ein entsprechend größerer Anfall. Es sind heute schon die Massenverfahren angesprochen worden. Kollege Bösch! Ich stehe nicht an, zu sagen, daß wir Abgeordnete dafür verantwortlich sind, aber zu diesen müssen Sie sich auch zählen. Auch Sie stellen vielfach Anträge, die aus unserer Sicht nicht gerade berechtigt sind; eben Anträge zur Reglementierung von Anliegen, die Ihnen eben wichtig erscheinen.

Faktum ist, daß wir uns zweifellos die Form der Gesetzgebung ansehen und sie überprüfen sollten, damit wir vielleicht auch von dieser Warte aus eine Entlastung herbeiführen können und nicht immer wieder einen zusätzlichen Anfall von Geschäftsfällen für die Gerichtshöfe bewirken. Wichtig ist die schon seit vielen Jahren geforderte Neukodifikation des Verfassungsrechts, der unzähligen Verfassungsbestimmungen. Damit wäre es hoch an der Zeit. Die Hohen Herren Präsidenten der Gerichtshöfe haben dies bereits mehrmals schriftlich und auch mündlich in Ansprachen gefordert.

Unter den gegebenen Umständen, also wenn wir auch die Sparbudgets in Betracht ziehen, die mit sich bringen, daß es einerseits kein zusätzliches Personal, also keine weiteren Planstellen gibt und anderseits auch der Raumbedarf nicht entsprechend befriedigt werden kann, kommt es eben zu einer Überlastung, einer teilweise sogar dramatischen Überlastung der Gerichtshöfe. Es mangelt an gewisser Rechtskontrolle, und wir sind zweifellos an der Schmerzgrenze angelangt, bei der sich die Bürger eben beklagen, daß verfassungsmäßig gewährleistete Grundrechte in den Verfahren durch die überlangen Fristen nicht gewährleistet sind. Wir sollten aber, wie gesagt, dabei auch immer daran denken, ob nicht ein Mea culpa angebracht wäre.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon angeklungen, daß Maßnahmen wie zusätzliches Personal, zusätzliche Raumbeschaffung, beispielsweise beim Verwaltungsgerichtshof, allein nicht ausreichen. Wir brauchen auch eine weitgehende Systemänderung, eine Änderung, wie gesagt, beim Verhalten im materiellen Recht, bei der Gesetzgebung, aber auch eine Änderung beim formellen Verfahren, sprich die Einführung von Landesgerichtshöfen, sei es als Bundesinstitution, sei es als Landesinstitution. Erfreulicherweise wurde heute vom Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Schausberger, aber auch vom Herrn Bundeskanzler bestätigt, daß diesbezüglich Einvernehmen besteht. Es wäre, so glaube ich, hoch an der Zeit. Eine weitere Verzögerung wäre unter den gegebenen Umständen absolut unzulässig.

Wenn gesagt wird, daß die Bundesländer – aus finanziellen Gründen oder auch aus strategischen Gründen – nicht gerade um diese Landesgerichtshöfe buhlen, so kann ich mir vorstellen, daß ein zusätzlicher Aspekt in diese Diskussion eingebracht werden könnte, nämlich daß die Bestellung von Mitgliedern der Obersten Gerichtshöfe, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes, sehr zentral geregelt ist. Das heißt, daß Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes derzeit mehrheitlich von der Bundesregierung beziehungsweise vom Nationalrat vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten ernannt werden. Also etwa 20 Nominierungen erfolgen über den Bund, und nur 4 Nominierungen gehen über den Einflußbereich der Länder. Beim Verwaltungsgerichtshof ist es gemäß Artikel 134 der Bundesverfassung überhaupt so, daß der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen Mitglieder vom Bundespräsidenten über Vorschlag der Bundesregierung ernannt werden.

Es hat im Länderforderungskatalog 1985 unter Punkt 9 schon ein Ansinnen dahin gehend gegeben, daß den Ländern ein dem Bund gleichwertiges Vorschlagsrecht für die Besetzung der lei


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