Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 128

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Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. – Bitte.

18.56

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat eine der besten sozialen Absicherungen in Europa. Dies kann man in vielen Berichten und in vielen vergleichbaren Aufzeichnungen nachlesen. Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Bundesministerin (Beifall bei ÖVP und SPÖ), aber auch bei Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für diesen umfassenden Bericht, der sehr viele Themen anspricht, der ein aussagekräftiges Nachschlagewerk ist, der uns aber auch beauftragt, dort, wo es notwendig ist, gegenzusteuern.

Ich nehme einen Bereich heraus: die Arbeitslosigkeit. Dies ist ein Umstand, welcher die Lebensplanung und die Lebensgestaltung der betroffenen Menschen gewaltig durcheinanderbringt und diese Menschen verunsichert. 709 000 Personen waren 1996 zumindest einmal von Arbeitslosigkeit betroffen, davon 73 000 Personen länger als ein Jahr. Obwohl Österreich unter dem OECD- und dem EU-Durchschnitt der Arbeitslosigkeit liegt, ist doch jeder Arbeitslose in Österreich einer zuviel.

Arbeitslosigkeit treibt Menschen in arge finanzielle und psychische Probleme. Jugendliche, die auf der Straße stehen, haben Schwierigkeiten mit ihrer Lebensplanung. Langzeitarbeitslosigkeit bildet einen schmalen Grat zur Armut. Die mittlere monatliche Auszahlungssumme beträgt für arbeitslose Männer 9 900 S, für Frauen 7 400 S. 60 Prozent der arbeitslosen Frauen haben ein Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

In Forschungsprojekten wird Armut am häufigsten als Einkommensarmut definiert. Der Bericht sagt aus, daß nicht – Gott sei Dank nicht mehr! – überwiegend ältere Menschen von Armut betroffen sind. Aufgrund von Pensionserhöhungen, aufgrund der Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes konnte da in der Vergangenheit wesentlich geholfen und etliches verbessert werden. Aber der Bericht sagt auch aus, daß immer mehr Personen betroffen sind, die im erwerbsfähigen Alter stehen. Es sind Familien mit mehreren Kindern und Alleinerzieher davon betroffen. 60 Prozent der von Armut betroffenen Kinder leben in Haushalten mit drei und mehr Kindern oder in Haushalten von AlleinerzieherInnen.

Der Bericht weist aber auch eine gesamte Berufsgruppe als überdurchschnittlich armutsgefährdet aus. Ich spreche hier den Beruf des Bauern und der Bäuerin an. Der Arbeitsplatz Bauernhof ist in Gefahr! Der Arbeitsplatz Bauernhof muß abgesichert werden, denn jeder Mensch, der diesen Arbeitsplatz verläßt, drängt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und verschärft dort die Situation. Reaktionen darauf sind unbedingt notwendig – Reaktionen, die unsere Landwirtschaft absichern, aber auch Reaktionen, die Wirtschaft und Gewerbe absichern. Denn Wirtschaft und Gewerbe schaffen Arbeitsplätze und sichern die Erwerbsquote. Deshalb ist es notwendig, bestehende Arbeitsplätze abzusichern und bei Neugründungen und Erweiterungen praxisgerechte und zeitlich kurze Verfahrensdauer zu ermöglichen.

Ich darf noch zwei Punkte ansprechen. Ab 1. 9. 1996 – Frau Bundesministerin, Sie wissen diesbezüglich um meine Sorge – ist die Anspruchsvoraussetzung für die vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit geändert worden. Für alle Frauen, die am 1. 9. 1996 bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatten, blieb das alte Recht aufrecht. Bei Frauen, deren Geburtsdatum nach dem 1. 9. 1941 liegt, entstehen durch diese neue Regelung, durch diese neuen Anspruchsvoraussetzungen Härtefälle, welche – darum bitte ich – durch eine Einschleifregelung – ich will keine Aufhebung der neuen Gesetzeslage, aber ich möchte eine Einschleifregelung – entschärft werden können.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen will, ist der Berufsschutz. Es gibt, so glaube ich, zwei Arten von Berufsschutz: den normalen Berufsschutz und, wiederum in der Landwirtschaft, den verschärften Berufsschutz. Der verschärfte Berufsschutz trifft nicht selten Frauen im ländlichen Raum, welche nach schwerer Krankheit oder Leiden, aufgrund der härteren Arbeit, aufgrund der großen Herausforderungen im Beruf ihren Beruf nicht mehr ausüben können und auf den


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