Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 135

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kainz. – Bitte.

19.35

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich nehme schon fast traditionell den Sozialbericht zum Anlaß, um mich mit der Situation der Frauen zu beschäftigen, und zwar mit der Situation der Frauen, wie sie sich in der Praxis darstellt. Ich gehe davon aus, daß das nicht allein durch die Kompetenz eines Bundesministeriums beeinflußbar ist. Ich würde mir wünschen, ich könnte meine Kritik ausschließlich an eine Person richten, von der ich weiß, daß sie in diesen Fragen mit ihren Vorstellungen darauf angewiesen ist, wie andere mit ihren Ideen umgehen. Denn ich denke, dann würde sich diese Situation anders darstellen.

Meine Damen und Herren! Vieles von dem, was der Sozialbericht aussagt – diese Aussage ist die Zusammenfassung der Dinge, wie sie sich in der Realität darstellen –, ist auch durch andere Faktoren beeinflußt. Deshalb ist auch Kritik in unsere eigene Richtung angebracht. An jedem von uns ist dort, wo er eine andere Meinung vertritt, diese Kritik gerechtfertigt. Die politische Verantwortung und das politische Handeln müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um diese Situation zu verändern. Das hat aber sehr viele weltanschauliche Hintergründe und – zugegeben – auch Fakten in jenen Bereichen, die nicht in einem Parlament durch die Gesetzgebung beeinflußbar sind.

Es sind heute sehr viele Zahlen genannt worden. Ich bitte Sie trotzdem um Verständnis, daß ich diesen sehr umfassenden Bericht teilweise zitiere, weil er sich als wertvolles Hilfsmittel zum Darstellen der Situation eignet. Ich weise aber auch gleich darauf hin, daß einige dieser Zahlen von mir weiterentwickelt wurden, weil ich diese Zusammenstellung auch für das heurige Jahr verwendet habe.

Meine Aussage leite ich grundsätzlich etwas provokant damit ein, daß Armut weiblich ist, die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt in erster Linie Frauen zu spüren bekommen und sich die Situation veränderter Beschäftigungsstrukturen, erhöhter Qualifikationsanforderungen und des erhöhten Konkurrenzdrucks, also des Enger-Werdens auf dem Arbeitsmarkt, aus den verschiedensten Ursachen in erster Linie bei den Frauen bemerkbar macht und – ich weise noch einmal darauf hin – sehr oft auch in der Einstellung zu diesen Problemen bemerkbar macht.

Es sagt der Bericht aus – auch die Aussagen in dem jetzt zitierten NAB weisen darauf hin –, daß wir im europäischen Vergleich generell durchaus eine gute Situation vorfinden. Nicht jedoch hält diesem Vergleich – zumindest nicht in den überwiegenden Fakten – der Bereich bezüglich Frauen stand. Dieser allgemeine negative Beschäftigungstrend – ich bitte, mich nicht auf einzelne Zeiträume festzunageln, denn aus dem Bericht 1996 läßt sich durchaus etwas anderes ableiten, als es jetzt für die Situation 1997 anzunehmen ist – wirkt sich eben sehr stark bei Frauen aus, und ich behaupte, daß dieses Hinausdrängen oder Nicht-Hineinlassen der Frauen in die Beschäftigungssituation auch eine enorme Gefährdung unseres Sozialversicherungssystems bedeutet, denn es kann nicht die Hälfte der theoretisch zu Beschäftigenden dieses System tragen, obwohl die Leistungen daraus auf viel mehr zu verteilen sind.

Ich möchte wenige Zahlen verwenden, den negativen Trend bei den Frauen jedoch mit Zahlen untermauern. Diese Zahl ist aus 1997: Im August 1997 hat es 1 342 000 in Beschäftigung stehende, unselbständig erwerbstätige Frauen gegeben, im Oktober waren es nur mehr 1 314 000.

Der grundsätzliche Hintergrund, den ich durchaus auch in der weltanschaulichen Begründung angesprochen habe, ist folgender: Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern ziehen sich Frauen in Österreich in stärkerem Ausmaß und in erster Linie aus familiären Gründen, insbesondere wegen der fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen – und zwar langfristig und nicht freiwillig, das möchte ich auch betonen –, aus dem Erwerbsleben zurück.


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