Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 145

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Sozialhilfe ist kein geeignetes Instrument zur Absicherung der Armutspopulation. Die Richtsätze für Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen liegen unter allen angewandten Armutsgrenzen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Restriktionen in diesem Bereich drastisch zunehmen. Die Zahl der Abweisungen von Anträgen auf Sondernotstandshilfe und von Einstellungen der Sondernotstandshilfe hat sich in Österreich von 1995 auf 1996 beinahe verfünffacht, in Tirol sogar versechsfacht.

Durch die Sparmaßnahmen auf der Ebene der staatlichen Sozialpolitik werden immer mehr Problemlagen auf die Ebene kommunaler Sozialhilfeleistungen zurückverlagert. Alleinerzieherinnen, Mindestpensionistinnen und Arbeitslose müssen zunehmend Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Länder und Gemeinden wehren den finanziellen Belastungsdruck zu Lasten und auf Kosten der potentiell Anspruchsberechtigten ab. Die steigende Armutsgefährdung wird somit letztlich auf die Ebene des Individuums und der Familie zurückverlagert und sozusagen privatisiert.

Bei den Ausgaben der Sozialhilfe in Tirol ist zwar insgesamt ein Zuwachs zu verzeichnen, dieser resultiert aber in erster Linie und aus dem erhöhten Aufwand der pflegebedürftigen Personen in Heimen und Anstalten.

Im wichtigen Bereich der Politik für behinderte Menschen sind in Tirol leider auch negative Tendenzen festzustellen: Die Landesregierung kauft sich im Gegensatz zu manchen Ministerien, die ihrer Beschäftigungspflicht vorbildlich nachkommen, lieber frei. Zur Behebung dieser Mißstände ist es meiner Meinung nach notwendig, die Abschlagszahlungen entsprechend zu erhöhen, um den Menschen, deren Chancen auf dem gespannten Arbeitsmarkt äußerst gering sind, Unterstützung zukommen zu lassen.

Ein weiteres sehr wichtiges Thema, das ich noch ansprechen möchte, ist die Jugendarbeitslosigkeit. Jugendliche Arbeitslose sind prinzipiell dem Risiko ausgesetzt, die erste grundsätzliche Integration in den Arbeitsmarkt nicht zu schaffen, weil sie keine Lehrstelle beziehungsweise keinen Arbeitsplatz finden. Nach wie vor ist die Arbeit trotz aller Diskussionen über einen Wertewandel in der postindustriellen Gesellschaft der zentrale gesellschaftliche Integrationsfaktor. Wenn Arbeitslosigkeit, wie wir wissen, schon generell soziale Ausgrenzung, psychische Erkrankung, den Verlust des Selbstwertgefühls, Desorientierung und Sinnverlust bewirkt, dann trifft das Jugendliche noch mehr als Erwachsene. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte die Jugendarbeitslosigkeit 1996. Die Arbeitslosenquote der Tiroler Jugendlichen lag bei 6,4 Prozent. Die Zahl der Lehrstellensuchenden pro offener Lehrstelle hat sich dramatisch erhöht. Die Zahl der Jugendlichen, die bereits länger als sechs Monate eine Lehrstelle suchen, hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht. – Gerade im Bereich der Lehrlingsbeschäftigung vermisse ich die Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner. Streitigkeiten innerhalb der Regierung und falsche Profilierungssüchte werden auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen.

Im Bericht wird auch hervorgehoben, daß der Schwerpunkt auf einer offensiven Beschäftigungspolitik liegen muß. Wie im Tätigkeitsbericht erwähnt, lagen die Schwerpunkte des Ressorts darin, daß gesamte sozial- und arbeitsmarktpolitische Instrumentarium dafür einzusetzen, um maximale Beschäftigungschancen zu realisieren. Eine wichtige Grundlage der zukünftigen Vorgangsweise ist nun im nationalen Beschäftigungsplan zu sehen.

Trotzdem möchte ich nochmals betonen, daß es sich bei den geschilderten Problemen nicht um eine quasi naturgesetzliche Entwicklung aufgrund einer allgemeinen schweren Wirtschaftskrise handelt. Die Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich wird nicht gelingen, wenn die Wirtschaft laufend, unabhängig von Fakten, vehement neue Entlastungen seitens der öffentlichen Hand verlangt und den Abbau sozialer Sicherungen fordert. – Durch die budgetären Maßnahmen und die daraus folgende Konsolidierung werden gute Bedingungen für eine aktive Wirtschaftspolitik geschaffen, die auch an die Arbeitnehmer weitergegeben werden sollten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite