Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 49

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

11.40

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben soll die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern umgesetzt werden. Meine Fraktion hegt gegen diese Regelung schwere Bedenken.

Gewiß ist vorweg in formeller Hinsicht einzuräumen – das wurde schon mehrfach betont –, daß Österreich durch seinen Beitritt zur EU verpflichtet worden ist, diese Richtlinie durch Einbau in die österreichische Rechtsordnung umzusetzen. Das muß uns aber dennoch nicht dazu veranlassen, sie allzu unkritisch zu übernehmen. Dagegen hat sich im Nationalrat etwa auch der Kultursprecher der SPÖ, Abgeordneter Dr. Cap, entschieden ausgesprochen. Zudem verweise ich darauf – auch das wurde heute bereits gesagt –, daß immerhin Deutschland, Italien und Luxemburg die Implementierung dieser Richtlinie bisher verweigert haben. Das gleichfalls schon erwähnte Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hat, wird den Europäischen Gerichtshof in dieser Hinsicht zu grundsätzlichen Aussagen veranlassen müssen. – Aber lassen wir das Procedere der Umsetzungsproblematik beiseite.

Auch in der Sache selbst verkenne ich durchaus nicht das grundsätzlich zu bejahende Anliegen, daß jeder Staat Kulturgüter, die entgegen den nationalen Schutzgesetzen widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind, von diesem zurückfordern kann; handelt es sich dabei doch um nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert. So gewiß der Schutz von Kulturgut solchen Ranges für Österreich selbst höchst bedeutsam ist, müssen wir das gleiche naturgemäß den anderen Mitgliedstaaten der EU zubilligen. Insofern gilt der Kantische kategorische Imperativ selbstverständlich auch im Kulturgüterverkehr.

Nach meiner Überzeugung schießen aber die EU-Richtlinie und das ihr allzu gehorsam folgende österreichische Gesetz weit über das berechtigte Anliegen hinaus; und daran setzt meine Kritik an. Vor allem läßt die Regelung jede ausgewogene Vermittlung der gegenläufigen Interessen im Zielkonflikt zwischen dem überindividuellen Kulturgüterschutz einerseits und dem individuellen Schutz des gutgläubigen Eigentumserwerbs andererseits vermissen. Dieser grundsätzliche Einwand wird auch im Bericht des Kulturausschusses des Nationalrates verschämt angesprochen, und zwar folgendermaßen: "Die Richtlinie birgt Probleme vor allem für das österreichische Zivilrecht."

In der Tat: Sie ist ein schwerer Einbruch in das unserem ABGB zugrundeliegende Prinzip des Eigentumerwerbs kraft guten Glaubens auch vom nicht berechtigten Veräußerer. Im Sinne des altdeutschen Grundsatzes "Hand wahre Hand" ist das ABGB zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit, also aus überzeugenden rechtspolitischen Motiven, vom römisch-rechtlichen Prinzip der absoluten Vindikation durch den ursprünglichen Eigentümer bewußt abgegangen. Gemäß § 367 ABGB – auch dieser wurde heute schon zitiert – wird der redliche Erwerber stets Eigentümer, wenn ihm die verkaufte Sache von einem hierzu befugten Gewerbsmann oder von demjenigen Gewährsmann, dem der ursprüngliche Eigentümer sie anvertraut hat, übertragen worden ist, oder wenn sie der Erwerber im Zuge einer öffentlichen Versteigerung erstanden hat. Im wesentlichen gilt dasselbe nach § 366 des Handelsgesetzbuches für den Handelskauf.

Diese für den rechtsgeschäftlichen Verkehr – nicht zuletzt im Kunsthandel – geradezu fundamentalen Bestimmungen unseres Zivilrechts werden durch das vorliegende Sondergesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie massiv ausgehöhlt. Mit Recht hat daher auch die Wirtschaftskammer Österreich in ihrer Stellungnahme erhebliche Bedenken angemeldet. Sie betont zunächst ebenfalls, daß der Gedanke des Schutzes des Verbleibs von nationalen Kulturgütern in jenen


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