Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 50

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Mitgliedstaaten, zu deren kulturellem Erbe sie zählen, an sich verstanden und grundsätzlich begrüßt wird; sie schließt daran jedoch die Befürchtung, daß es zu Handelshemmnissen beziehungsweise zu nicht dem Ziel der Richtlinie entsprechenden Beschränkungen des freien Warenverkehrs kommen könnte. Denn es ist vorgesehen, daß der ersuchende Mitgliedstaat, aus dem das Kulturgut stammt, den ersuchten Mitgliedstaat – das ist derjenige, in den es verbracht worden ist – auf Rückgabe klagen kann. Eine Entschädigung hat er nur insoweit zu bezahlen, als der neue Eigentümer oder Besitzer beim Erwerb ausreichende Sorgfalt angewendet hat.

Wenn Frau Bundesministerin Gehrer meint, daß der Begriff "ausreichende Sorgfalt" mit dem überkommenen österreichischen Begriff des guten Glaubens vergleichbar sei, geht sie zwar insofern nicht fehl; sie übersieht dabei allerdings, daß dem gutgläubigen Erwerber nach unserem Recht sein Eigentumsrecht erhalten bleibt, wogegen der sorgfältige Erwerber von Kulturgut nach dem neuen Gesetz günstigstenfalls eine Entschädigung dafür erlangt, daß ihm das an sich rechtmäßig erworbene Eigentum an dem von ihm bezahlten Kaufgegenstand wieder entzogen wird.

Der Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht wird durch § 9 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Z 2 sogar in untragbarer Weise verschärft. Danach wird nämlich die Geltendmachung von Rückgabeforderungen für alle Kulturgüter eröffnet, die nach dem 31. Dezember 1992 nach Österreich verbracht worden sind. Damals war Österreich aber bekanntlich noch längst nicht Mitglied der EU, sodaß ausschließlich die österreichischen Ein- und Ausfuhrbestimmungen sowie das österreichische Zivilrecht Gültigkeit hatten. Der ohnehin massive Eingriff in bestehende Eigentumsrechte wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf daher sogar rückwirkend angeordnet, also nach einem rechtlichen Regime, das zum Erwerbszeitpunkt nicht gegolten hat und auf das sich der Erwerber überhaupt nicht einstellen konnte. Diese gravierende Verletzung von Verhaltenserwartungen und rechtmäßig erworbenen Positionen ist rechtsstaatlich nicht mehr vertretbar und nach meiner Überzeugung überdies eklatant verfassungswidrig.

Aus ähnlichen Erwägungen ist auch die in Richtlinie und Gesetz vorgesehene Möglichkeit strikt abzulehnen, daß ein Mitgliedstaat ein verbrachtes Objekt auch nachträglich, also noch im nachhinein, als nationales Kulturgut einstufen kann. Problematisch ist ferner das Fehlen einer Definition dessen, was als "angemessene Entschädigung" anzusehen ist. Sie müßte die Kosten für den Erwerb, das heißt den Ankaufspreis samt Nebenspesen, sowie für die zwischenzeitliche Erhaltung umfassen.

Aus dem gegebenen Anlaß des leidigen Streites um die in den USA beschlagnahmten Schiele-Bilder wäre es nicht zuletzt angebracht gewesen, den Ausstellungsverkehr als hauptsächlichen Anwendungsfall des Kulturgütertransports sachgerecht in die Regelung einzubeziehen oder – wenn das geplant war – ihn ausdrücklich davon auszunehmen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Aus alldem können Sie ersehen, daß das gegenständliche Gesetzesvorhaben in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend durchdacht und in Teilbereichen meines Erachtens außerdem verfassungswidrig ist. Deshalb werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung versagen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Diese Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den vorliegenden Beschluß des Nationalrates und über den Kulturbericht 1996. Diese beiden Abstimmungen erfolgen getrennt.


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