Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 59

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meines Erachtens dafür keinen angemessenen Ausgleich; hat doch der Betroffene – anders als bei der Anrufung eines Gerichtes mit Unterlassungsklage – kein subjektives Recht auf das Einschreiten der Behörde. Zudem erscheint mir der unabhängige Richter als die zweifellos höhere Rechtsschutzgarantie für den Bürger als die Verwaltungsbehörde, die sich gegenüber wirtschaftlichen und politischen Sachzwängen, Interessen und Einflußnahmen stets als weniger resistent erweist.

Nicht zuletzt hätte die Deckungsvorsorge nach dem Entwurf bereits bei Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen der Sicherheitsstufe 2 in großem Maßstab oder der Stufe 3 in kleinem Maßstab eingreifen sollen. Auch dies wurde im Koalitionsantrag auf Arbeiten der Sicherheitsstufe 3 in großem Maßstab zurückgenommen.

An weiteren Bedenken seien nur noch zwei genannt, und zwar jenes hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der Haftung bis zum faktischen Inverkehrbringen und jenes bezüglich des ungeklärten Haftungsrisikos für Landwirte, die sich zur Teilnahme an Freisetzungsprojekten oder zur Verwendung gentechnisch veränderter Produkte bewegen lassen.

Schließlich wurde eine ganz wesentliche neue Regelung, nämlich die im Produkthaftungsgesetz vorgesehene Erstreckung der Haftung auch auf das sogenannte "Entwicklungsrisiko" gentechnisch veränderter Organismen – unter Verweis auf eine zu erwartende neue EU-Richtlinie, das heißt im Klartext: auf unabsehbare Zeit – zurückgestellt.

Zusammenfassend ist daher mit Bedauern festzustellen, daß die Koalitionsparteien nahezu alle jene Regelungen, die einen entscheidenden Fortschritt bedeutet hätten – damit meine ich vor allem die Einbeziehung des Ökosystems in den Schutzbereich des Haftungsrechtes –, bewußt preisgegeben haben. Eine solche Neuordnung der Gentechnikhaftung kann man sich insofern ersparen, als sie zum Teil sogar hinter den gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Gefährdungshaftung zurückfällt. Schon gar nicht trägt sie den Forderungen im seinerzeitigen Enquete-Bericht Rechnung.

Allein schon im Hinblick auf den dargelegten Rückschritt im Bereich des Gentechnik-Haftungsrechtes noch im Verlaufe des Gesetzgebungsprozesses muß ich daher meiner Fraktion empfehlen, dieser Vorlage ihre Zustimmung zu versagen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile ihm das Wort.

12.31

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Das Gentechnik-Volksbegehren hat zu einer sehr intensiven öffentlichen Auseinandersetzung mit einer neuen Technik, der Biotechnologie, geführt, und die Bereitschaft der Bevölkerung – das ist heute auch schon in Zahlen ausgedrückt worden –, mit ihrer Unterschrift zu dokumentieren, daß der Gesetzgeber Sorge dafür zu tragen hat, daß Menschen durch eine neue Technologie nicht zu Schaden kommen, war sehr groß.

Sicherlich sind aber – davon bin ich fest überzeugt – neben den wissenschaftlichen Fakten auch Urängste des Menschen angesprochen und – vor allem über die Medien – kommuniziert worden. Ein Künstler aus meiner näheren Heimat hat diese Urangst meiner Meinung nach sehr deutlich und ausdrucksstark dargestellt. Er malte ein Bild mit dem Titel "Genmanipulation". Auf diesem Bild wird ein Tiermonster dargestellt, halb Huhn und halb Fuchs. Der Fuchskopf dieses Untieres faßt gerade nach dem anderen Körperteil, nämlich dem Huhn. Er möchte sozusagen seinen eigenen Körperteil auffressen, er frißt de facto sich selbst auf. Ich habe das als sehr ausdrucksstark empfunden. Es ist eine Urangst, die im Menschen schlummert, daß durch die Genmanipulation, durch die Gentechnik – diesen Ausdruck habe ich lieber als das Wort "Genmanipulation" – Gefahren drohen, die einen auch persönlich betreffen könnten.


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