Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 63

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lichen Optimismus hegen, aber wir dürfen doch nicht diesen unseren persönlichen Optimismus, den wir gegenüber bestimmten Dingen haben mögen, so nach dem Motto: "Nächstes Wochenende ist es schön! Ich fliege dort und dort hin!", auf eine noch nicht erprobte, noch nicht ausgereifte Technik ausdehnen, die wir der gesamten Bevölkerung zumuten! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Da heißt es doch auf die Bremse zu steigen, behutsam zu sein, nachzudenken und nicht etwas überhapps durchziehen zu wollen.

Es stimmt: Es gibt jahrzehntelang erprobte und klinisch angewandte Mittel der Diagnostik, zum Beispiel in der Proteinanalyse, sowie die international akzeptierten Methoden der Gentherapie. All das gibt es. Aber es gibt auch den Vorwurf der Anlaßgesetzgebung. Es stimmt auch, daß trotz Tausender gentechnischer Versuche auf der ganzen Welt nirgends Schäden aufgetreten oder zumindest nicht bekannt geworden sind. Man sollte freilich nicht ausschließen, daß vielleicht Schäden aufgetreten sind, aber jene, die an der Gentechnik interessiert sind – es scheint immer mehr, als ob es dabei um ein Geschäft ginge –, sind sicherlich nicht daran interessiert, daß Schäden bekannt werden.

Auch wenn 20 Jahre lang keine Schäden in der Gentechnik oder durch die Gentechnik aufgetreten sind, müssen wir fragen: Wer gibt uns die Zuversicht und den Hochmut, eine millionenjahrelange Schöpfung, die natürlich ständig Mutationen hervorgebracht hat, mit 20 Jahren Gentechnik zu vergleichen, und zu sagen: 20 Jahre Vergleichszeitraum sind ausreichend, der Eingriff des Menschen hält, da passiert nichts Problematisches!? – Ich halte es für einen Hochmut der Schöpfung, dem Schöpfungsakt gegenüber, 20 Jahre mit dem Zeitraum der Erbgeschichte gleichsetzen zu wollen, so nach dem Motto: Es ist bisher nichts geschehen, daher wird auch weiterhin nichts geschehen.

Das sind Gründe, warum wir uns überlegen müssen, ob wir dafür oder dagegen sind. Wir Freiheitlichen stellen uns auf die Seite jener, die meinen: Gehen wir es vorsichtig an! Das Geschäft mag später kommen.

Es stimmt, daß durch die Gentechnik manche Pflanzen resistent gegen Schädlinge werden, es stimmt, daß andere Pflanzen nährstoffreicher und wieder andere besser verwertbar werden. Wir wissen, dadurch brauchen zum Beispiel weniger Pestizide eingesetzt zu werden, oder es wird weniger Energie verbraucht. Möglicherweise braucht man vielleicht auch in einzelnen Bereichen weniger Wasser.

Wer aber garantiert, wer aber kann ausschließen, daß diese manipulierten Lebewesen in Zukunft zu folgenschweren Fehlschlägen und ökologischen Katastrophen mutieren, meine Damen und Herren? – Wenn Sie diese Garantie übernehmen, dann sind Sie meines Erachtens Helden, dann sind Sie Hellseher. Ich möchte Ihnen kein nachlässiges Verhalten unterstellen, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Aber wer von Ihnen kann die Garantie übernehmen? – Wir sitzen doch nicht nur fünf Jahre oder länger da, und dann ist die Sache geschehen, und man geht nach Hause. Man muß doch zu Hause seinen Freunden und seiner Familie erklären können, daß man nicht nur ein "Schönwetterpolitiker" gewesen ist, einer, der nicht nur das Gute in einer Absicht gesehen hat!

Dabei will ich gar nicht unterstellen, daß eine schlechte Absicht damit verbunden ist. Aber das Schlechte ist, daß wir nicht wissen, was sich daraus entwickeln kann! (Bundesrat Ing. Polleruhs: Bei der Eisenbahn hat man dieselbe Meinung vertreten!) Herr Kollege! Besonders ökologische Risiken sind realistisch und bedenkenswert, denn die Verbreitung von Resistenzgenen im Ökosystem ist ein ernstzunehmendes Risiko.

Man kann natürlich sagen – das sagen wiederum die Optimisten –, auch die Anreicherung von Tierfutter mit enormen Konzentrationen von Antibiotika birgt ein großes Risiko in sich. Das stimmt sogar. Aber man darf doch nicht das eine Risiko, welches wir schon kennen, gegen ein noch unbekanntes Risiko eintauschen, von dem nur Optimisten und Zukunftseuphoriker behaupten können, daß es keine Gefahr in sich birgt! Wir dürfen doch nicht sagen: Gleichen wir den einen Schaden durch einen anderen Schaden aus! – So dürfen wir das doch nicht machen, wir sind doch nicht an der Warenbörse!


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