Bundesrat Stenographisches Protokoll 640. Sitzung / Seite 110

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SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Hört! Hört!) Wenn ich sehe, daß sich Dr. Harring als Direktor eine eigene Meinung erlaubt und sich nicht an diese Partei gebunden fühlt, dann frage ich mich, wie das für normale Raiffeisen-Mitarbeiter ist. Daher muß ich sagen, daß Sie mit zweierlei Maß messen. Aber das ist in diesem Hohen Haus nichts Neues.

Wenn Sie die Postenvergabe hier im einzelnen und Marc Hall von der OMV kritisieren, dann kann man das machen. Ich bin auch dafür, Helga Konrad zu kritisieren; das ist ebenfalls keine Frage. Aber wenn Sie jetzt beispielsweise Kritik an der Bestellung von Dr. Fuhrmann zum Richter am Menschenrechts-Gerichtshof in Straßburg üben ... (Bundesrat Dr. Böhm: Die ist besonders berechtigt! Er ist für Menschenrechte überhaupt nicht ausgewiesen!) Herr Professor! Ich weiß, daß für Sie jemand erst dann ein Experte ist, wenn er hundert Publikationen in seinem Bereich geschrieben hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Matscher haben wir vereinbart!) Aber es gibt auch noch andere Kriterien, die etwas zählen dürfen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Von ihm ist überhaupt nichts ausgewiesen!)

Herr Professor! Mir ist klar, daß er sich für diese Funktion nicht bei Ihnen habilitiert hat. Aber man kann genauso sagen, daß jemand, der umfassende parlamentarische Erfahrung im Justizbereich sowie Erfahrung im Umgang mit der Gesetzgebung hat, infolgedessen auch als Verfassungsrichter beurteilen kann, was seine Entscheidungen politisch bedeuten. (Bundesrat Dr. Böhm: Es gab zwei weitere Kandidaten!) Auch das ist eine Erfahrung, die man in die Bewertung einbeziehen kann. Freilich ist in letzter Konsequenz – bei aller Objektivierung – eine Personalentscheidung immer auch eine subjektive Entscheidung, die kritikfähig ist. (Bundesrat Dr. Böhm: Die zwei anderen waren besser geeignet!) Ich bin überhaupt kein Freund des Dr. Fuhrmann, aber ich sage: Wenn die Eignung verglichen wird und sich dabei zeigt, daß jemand besondere wissenschaftliche Erfahrung vorzubringen hat und jemand anderer besondere politische Erfahrung ins Treffen führen kann, dann kann man beides bewerten und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Cede hat beides und steht Ihnen nahe!)

Gut, Sie sind anderer Meinung! Das ist legitim, aber ich denke, daß man von jemandem mit umfassender Qualifikation nicht sagen kann, das sei jemand, der ohne irgendeine Ausbildung oder ohne irgendeine Erfahrung zu etwas kommt, und daß man ihn nicht deshalb kritisieren kann, weil er nicht Ihrer Partei angehört. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein! Von uns war keiner auf der Liste, aber bessere Kandidaten standen darauf!) Er gehört unserer Partei auch nicht an, das füge ich nur hinzu. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ein weiterer Punkt Ihrer Anfrage betrifft die Nominierung der Verfassungsrichter. Das kann meiner Ansicht nach durchaus ein Kritikpunkt sein, dem wir uns in der Länderkammer einmal nähern könnten. Es ist zu bedenken, daß von den insgesamt 20 Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes nur vier Mitglieder dem Einflußbereich der Länder zuzuordnen sind. Von der Bundesregierung werden sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder nominiert, vom Nationalrat drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder, der Bundesrat stellt lediglich drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied. In dieser Hinsicht kann ich mir Vorschläge vorstellen wie zum Beispiel den, daß dieses Gremium zur Hälfte von Nationalrat und Bundesrat und zur anderen Hälfte von der Bundesregierung und den Ländern nominiert wird. Das wäre ein Vorschlag, dem man durchaus nähertreten könnte. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das sind wir ja schon!)

Hohes Haus! Dr. Bösch hat in seiner Rede gesagt, daß die Bundesregierung sowie die Koalitionsparteien dieses Land endlich europatauglich machen sollen und daß es dafür Profis braucht. Sie haben einiges an Kritik vorgebracht, Herr Dr. Bösch! Ich denke, daß wir sehr viel dazu getan haben, dieses Land europatauglich zu machen, und daß vieles von der Arbeit, die darin steckt, nötig war, um Ihre Vorurteile zu bekämpfen. Wir alle wissen, daß das Wasser noch in Österreich ist, daß die Goldreserven nicht verschwunden sind, und wer weiß, was alles im Joghurt ist. (Bundesrat Prähauser: Die Schildläuse nicht!) Wenn wir Ihre Perspektive der Europapolitik als Richtschnur für die Bundesregierung genommen hätten, dann säßen wir entwicklungspolitisch noch heute auf den Bäumen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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