Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 68

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

13.00

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute hier ein Bundesgesetz, bei dem wir uns wieder einmal – wie schon so oft – die Frage stellen müssen – Kollege Böhm hat das schon angeschnitten –: Was bedeutet das für unsere Bundesverfassung?

Die diesmal gewählte Vorgangsweise, nämlich die Umgehung der Bundesverfassung dahin gehend, daß in einem Staatsvertrag entsprechende Bestimmungen zwingend als verfassungsändernd zu bezeichnen sind, besonders auch solcher, die in die Kompetenzen der Länder eingreifen, wurde schon einmal gewählt, und zwar, als es um den EU-Beitrittsvertrag ging. Bereits damals hat die freiheitliche Fraktion in diesem Haus darauf aufmerksam gemacht, wie problematisch es ist, keine Vorsorge dafür zu treffen, wie EU-Recht in österreichisches Verfassungsrecht umgesetzt werden soll.

Dieses Versäumnis führt dazu, daß man jetzt wieder mit einem Ermächtigungsgesetz agieren muß – im Gegensatz zum EU-Beitritt dieses Mal sogar ohne Volksabstimmung. Das ist nichts anderes als eine Beugung der Verfassung mit der Zweidrittelmehrheit der Regierungsparteien.

Es steht zu befürchten, daß dieser lockere Umgang mit den Grundprinzipien unserer Bundesverfassung nicht zum letzten Mal erfolgt. Es ist auch bezeichnend, daß im Expertenhearing des Parlaments im Jahre 1994 vor dem Beitritts-BVG die dort teilnehmenden Verfassungsjuristen allesamt auf genau dieses Problem aufmerksam gemacht haben, vor dem wir heute stehen. Die entscheidende Frage lautet: Handelt es sich um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung? Um diese Frage drückt man sich herum, auch deswegen, weil man dann nämlich einmal offen Farbe bekennen müßte, wie weit sich der Bestand unseres Verfassungsrechtes seit dem EU-Beitritt schon verändert hat.

Zusätzlich zu den legistischen und verfassungsrechtlichen Fragen müßten wir uns aber auch damit auseinandersetzen, was der Inhalt des Vertrags von Amsterdam für Österreich und die Europäische Union bedeutet. Was war Ausgangspunkt dieser Regierungskonferenz? – Mehr Demokratie in Europa, hat man auf die Fahnen geheftet, mehr Bürgernähe, mehr Rechtssicherheit, mehr Transparenz für die Entscheidungen auf europäischer Ebene, die Betrugsbekämpfung und vieles andere mehr. Auch in Österreich hat man von seiten der Regierung riesige Erwartungen geweckt. Das atomkraftfreie Mitteleuropa war einer der großen Slogans des früheren Bundeskanzlers Vranitzky. Österreich werde sich dafür und für den Umweltbereich besonders stark machen, hat die Bundesregierung mehr als einmal verkündet.

Ich möchte die Kollegen der Regierungsparteien vor allem auch daran erinnern, daß es eine Entschließung des Bundesrates gibt, in der die Bundesregierung dazu aufgefordert wurde, die föderale Struktur Österreichs bei den Verhandlungen im Rahmen der Regierungskonferenz besonders zu berücksichtigen und darauf zu achten, daß die Vertretung der Interessen der Regionen in der EU garantiert wird. Insbesondere wurde in dieser Entschließung eine Stärkung der Kompetenzen des Ausschusses der Regionen und eine effektivere Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips gefordert, ebenso eine effektivere Einbindung der nationalen Parlamente in das Gesetzgebungsverfahren der Union.

Was ist jetzt aus diesen Forderungen geworden, wenn man sich den Vertrag anschaut? Sind sie erfüllt worden, was beispielsweise den Ausschuß der Regionen betrifft?

Herr Kollege Kaufmann, ich kann Ihnen da überhaupt nicht zustimmen. Die epochale Errungenschaft besteht darin, daß der Ausschuß der Regionen jetzt administrative Selbständigkeit, wie es im Vertrag heißt, erlangt hat, daß er seine Geschäftsordnung – man höre und staune – nun nicht mehr dem Rat zur Genehmigung vorlegen muß und daß er von Kommission und Rat gehört werden kann, wenn – und das ist der Knackpunkt – diese, nämlich die Kommission, es für zweckmäßig erachtet. Eine solche Anhörung, so sie überhaupt stattfindet, bindet Kommission und Rat in keinster Weise, sie ist nicht mehr als ein Rederecht, und auch das nur dann, wenn die Kommission es für notwendig erachtet und nicht, wenn der Ausschuß der Regionen selbst es für erforderlich halten würde. Von der geforderten Ausweitung der Kompetenzen kann also


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite