Bundesrat Stenographisches Protokoll 641. Sitzung / Seite 78

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die wesentlichsten Punkte sind folgende:

Erstens, daß Chancengleichheit nun ein Grundrecht ist. Es kann keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben.

Zweitens macht Artikel 2 die Gleichstellung von Frauen und Männern zu einer Aufgabe der Union. Dies liefert eine dringend notwendige Rechtsgrundlage für die Chancengleichheit.

Artikel 3 beschreibt, wie die Gemeinschaft zur Erlangung der Gleichstellung von Frauen und Männern vorzugehen hat. Sie muß Diskriminierung bekämpfen und Gleichstellung fördern.

Vor Amsterdam wurde Gleichstellung einzig und allein unter dem Gesichtspunkt der gleichen Entlohnung gesehen. Sie konnte von dieser engen Sichtweise befreit werden und wird nun als eine der Aufgaben der Gemeinschaft anerkannt. Jetzt kann die Europäische Union alle Formen der Diskriminierung bekämpfen. Im Bereich der Sozialpolitik, im Hinblick auf gute Arbeitsplätze und berufliche Tätigkeiten wurden konkrete Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung eingeführt, einschließlich positiver Aktionen zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts.

Vom rechtlichen Standpunkt kommt der Aufnahme der Gleichstellung in den Vertrag größte Bedeutung zu. Diese auf primären Recht gründende Regel der Gemeinschaft ist vom höheren Rang als die von der sekundären Gesetzgebung abzuleitenden Gemeinschaftsregeln. Somit muß dieses Recht in allen anderen Regeln und Vorschriften der Europäischen Union beachtet werden. Die genehmigten Bestimmungen haben für alle Organe der Europäischen Union einerseits und für alle Mitgliedstaaten andererseits zwingenden Charakter.

Weiters ist die Gleichstellung durch den Europäischen Gerichtshof geschützt. Die Richter des Gerichtshofes werden die neuen Regelungen bezüglich der Gleichstellung anwenden müssen und können keine Urteile fällen, die den Bestimmungen des Vertrages zuwiderlaufen. Sie sind nicht mehr angehalten, die Gleichstellung von Frauen und Männern allein unter dem Gesichtspunkt der gleichen Entlohnung zu betrachten. Die Gleichstellung wird somit auf das ganze Unionsrecht ausgedehnt, und für dessen Einhaltung durch die Mitgliedstaaten wird Sorge getragen.

Auch die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Ministerrat werden Gleichstellungsbestimmungen des Vertrages umsetzen müssen, indem sie neue Vorschriften erlassen, die dem bestehenden Regelwerk hinzugefügt werden. Die Organe der Gemeinschaft müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß Gleichstellung eine Aufgabe der Gemeinschaft und ein allgemeines Ziel aller von der Gemeinschaft verfolgten Politiken darstellt. In gleicher Weise sind die Legislativen der Mitgliedstaaten an die Einhaltung des Gemeinschaftsrechtes gebunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa befindet sich in einem Prozeß der Umbildung seiner Strukturen. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat es gravierende Änderungen gegeben. Mit dem Vertrag von Amsterdam ist der Aufbau der Gleichstellung auch in Österreich nicht abgeschlossen, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist getan.

Wir sind nun aufgefordert, die Maßnahmen konkret umzusetzen und diese Themen zum Kern politischer Überlegungen zu machen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den beim Gipfel von Amsterdam angenommenen Vertrag gilt es, über das Gesellschaftsmodell und die Rolle der Frauen in der neuen europäischen Gesellschaft nachzudenken. Dies ist auch mit ein Grund, warum ich dieser Vorlage zustimme. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.50

Präsident Ludwig Bieringer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.50

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auf die verfassungsgesetzlichen Maßnahmen, die die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite