Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 18

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wir heute noch zu beraten haben – müßte unverzüglich durch eine Bundesstaats- und Bundesratsreform das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Bundesgesetzen, die die Länder belasten, sowie zum Finanzausgleichgesetz und zu Grundsatzgesetzen durchgesetzt werden.

Ebenso ist ein Recht zur Stellungnahme des Bundesrates zu Gesetzesvorhaben des Bundes bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den zuständigen Ausschuß des Nationalrates zu verwirklichen. Dem Bundesrat muß auch ein Widerspruchsrecht bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union eingeräumt werden.

In der Föderalismusdiskussion muß erreicht werden, den Bundesrat wirksam aufzuwerten und die Mitbestimmung der Länder im Bund zu stärken. Die Bundesräte sind Gestalter eines echten Föderalismus, in dem sich mehr Bürgernähe entfaltet. Diese Bürgernähe beweisen sie nicht nur durch ihren vorgegebenen Aufgabenbereich, sondern auch durch vielfältiges ehrenamtliches Wirken in verschiedenen Institutionen in ihren Bundesländern, in beispielgebender Weise für andere politische Gremien. Im Steirischen Landtag wurde daher den Bundesräten nicht nur Sitz, sondern auch Rederecht eingeräumt.

Es waren die Bundesländer, die den österreichischen Bundesstaat aus der Taufe gehoben haben. Die Realisierung der Bundesstaats- und Bundesratsreform ist der Maßstab dafür, welchen Stellenwert die Bundesregierung beziehungsweise das Parlament – und zwar beide Häuser gemeinsam – dem Föderalismus in Österreich zumißt.

Die Aufgabenaufteilung zwischen dem Bund und den Ländern muß besser erkennbar werden. Wir erwarten daher, daß der erste Teil der Bundesstaatsreform – der Entfall der mittelbaren Bundesverwaltung, die Errichtung von einheitlichen Anlagebehörden, Verfahrenskonzentration und so weiter – endlich vom Parlament beschlossen wird. Die Bundesstaatsreform muß eine Stärkung der Verfassungsautonomie der Bundesländer bringen. Eine gerechte Aufteilung der Finanzmittel sowie die Ausweitung des Zustimmungsrechtes gegenüber dem Nationalrat sind erforderlich.

Es ist zum Beispiel in der Frage der Kulturförderungsmittel des Bundes ein völlig ungerechter Aufteilungsschlüssel wirksam, der geändert werden muß. Im weiteren sollten 5 Prozent der Ertragsanteile – das sind ungefähr 4,5 Milliarden von den insgesamt 90 Milliarden Schilling – als Vorweganteil jenen Ländern zur Verfügung gestellt werden, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter dem österreichischen Durchschnitt liegt. Die Ertragsanteile nach dem jährlichen Steueraufkommen sind von 25 Prozent auf 15 Prozent zu reduzieren, um so die Verzerrungen aus dem Aufkommensprinzip auszugleichen. Es sind neue Kriterien zur Aufteilung der Ertragsanteile zu schaffen.

Der budgetpolitische Handlungsspielraum der Länder ist durch eine Verringerung des Anteils der zweckgebundenen Einnahmen der Länder zu erweitern. Die Solidarität zwischen den wirtschaftlich stärkeren und wirtschaftlich schwächeren Bundesländern ist zu verbessern, und durch finanzausgleichsrechtliche Steuerungsmaßnahmen ist die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zu sichern.

Der Bundesstaat Österreich muß als Mitglied der Europäischen Union durch die Bundesstaats- und Bundesratsreform auf ein bürgernahes Fundament gestellt werden. Die Dezentralisierung von Kompetenzen bringt Bürgernähe!

Wir sind aber auch dazu aufgerufen, der Gefahr einer Rückentwicklung zu einem Manchester-Liberalismus, der real zu wirtschaftlichen Fehlentwicklungen – vor allem zu großer Arbeitslosigkeit – führen kann, energisch entgegenzutreten und eine Wirtschafts- und Sozialpolitik einzufordern, durch welche die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden kann.

Uns allen muß dabei aber bewußt sein, daß sich die Spielregeln durch unseren Beitritt zur Europäischen Union verändert haben. Als integrierter Teil des gesamten europäischen Binnenmarktes sind wir nicht mehr imstande, unsere Wirtschaft und Institutionen einseitig durch irgendwelche Schutzgesetze unter den Glassturz zu stellen. Wir haben uns aus guten Gründen


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