Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 21

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für Toleranz schon heute in unseren Gesetzen noch sichtbarer und damit glaubhafter zu machen.

Denn die Zukunft ist heute! Oder – wie ich einer Zeitschrift entnehmen konnte, es handelt sich dabei um einen Ausspruch Gorbatschows –: "Nichts bleibt, wie es ist. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben – oder auch die Geschichte."

Sehr geehrte Damen und Herren! Schon eingangs habe ich darauf hingewiesen, daß ich auch Sportfunktionär war. Ich habe daher, wie ich glaube, Einblick in die Wünsche und Sorgen der Jugend. Vergessen wir nicht, daß das wertvollste Gut unserer Gesellschaft unsere Jugend ist. Eine Sozietät, die sich nicht um ihre Jugend kümmert, ist der Selbstauflösung anheim gegeben. Wenn man über Probleme und Sorgen der heutigen Jugend spricht und sich darüber Gedanken macht, ist man automatisch gezwungen, sich auch mit Bildungsinhalten auseinanderzusetzen.

Was wir derzeit miterleben, ist ein gigantischer Transformationsprozeß aller zentralen kulturellen Muster. Vor allem die neuen Medien, mit denen wir alle, speziell die Jugend, zu tun haben, haben unsere Umwelt ebenso stark verändert wie die industrielle Revolution.

Dies ist auch der Hauptgrund, warum ich mich seit Jahren um die Modifikation des Medienrechtes bemühe. Die Pressefreiheit ist eine demokratische Errungenschaft und sollte aus grundsätzlichen Überlegungen weder angetastet noch eingeschränkt werden. In Anbetracht des immer stärker werdenden Einflusses der Medien auf alle relevanten gesellschaftlichen Prozesse gewinnt jedoch die Frage an Bedeutung, welcher Kontrolle dieser Einfluß zu unterziehen ist, soll die Medienmacht nicht zu Mißbrauch führen.

Es ist uns bisher nicht gelungen, die industrielle Revolution zu meistern. Denken Sie an die Frage der Atomwaffen, der Reaktoren, der Gentechnik, denken Sie an die ökologischen Katastrophen – und schon werden wir nun von einer neuen Revolution durch die Kommunikations- und Informationstechniken überrollt. Tiefgreifende Anpassungsleistungen der Menschen an diesen Wandel werden notwendig.

Deshalb müssen der Bildung und Erziehung größter Stellenwert eingeräumt werden. Bildung und Erziehung sind immer auch auf Werte und Ziele einer zukünftigen Gesellschaft gerichtet. Solange wir aber nicht wissen, wie sich diese Informationsgesellschaft von morgen entwickeln wird und wie sie aussehen wird, herrscht Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Desinformation.

Wir müssen Wertvorstellungen schaffen, an die wir glauben, damit auch die Jugend daran glauben kann. Wir müssen verständlich machen, warum es keine Freiheit ohne Ordnung und kein Recht ohne Verantwortung gibt!

Da derzeit die neuen Informationstechniken massiv in alle Bereiche unseres Lebens eindringen, müßten wir versuchen, diese kommende Informationsgesellschaft sozial verträglich und menschlich zu gestalten. Aufklärung über Risken und Möglichkeiten einer humanen und sozialen Technikgestaltung wären unbedingt notwendig. Es wäre eine vordringliche Aufgabe der Pädagogen, sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen durch die neuen Technologien auseinanderzusetzen, da das Schul- beziehungsweise Erziehungssystem nicht in einem Vakuum inmitten der digitalen Revolution steht.

Ich glaube, im Bereich der rasanten technologischen Entwicklungen neigen wir Menschen dazu, sogenannte Sachzwänge dafür verantwortlich zu machen, wenn wir in Passivität verharren, anstatt mitzugestalten. Bildung müßte stärker den Willen zum Mitgestalten wecken und mögliche Wege aufzeigen. Dies ist aber nur möglich, wenn die jungen Menschen sehen, daß die Entwicklung in der Gesellschaft ihnen nicht wesensfremd gegenübersteht, sondern daß sie Einfluß nehmen und mitgestalten können. Ich bin der Meinung, daß die heutige Jugend sehr wohl den Willen hat, an der Gestaltung dieser Gesellschaft mitzuarbeiten, denn das Lamentieren über die Entpolitisierung der Jugend ist meiner Meinung nach nur die halbe Wahrheit.

Mit anderen Worten will ich damit ausdrücken, daß wir unserer Jugend gegenüber eine positivere Einstellung haben sollten. Ich sage dies als ein Mensch, der sein Leben lang mit jungen


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