Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 132

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Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile ihm dieses.

9.13

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir war natürlich klar, daß mein Vorredner ein sehr eingeengtes Blickfeld in Richtung Kammern entwickelt, und ich habe mir eigentlich von der Freiheitlichen Partei zu diesem Gesetz auch nichts anderes erwartet. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) – Ich werde dann noch im Detail darauf zurückkommen.

Ich werde mich naturgemäß mit dem Wirtschaftskammergesetz beschäftigen. Der vorliegende Gesetzentwurf löst das aus dem Jahr 1946 stammende Handelskammergesetz, das seit seinem Bestehen nicht weniger als elfmal novelliert wurde, ab. Mit dem neuen Wirtschaftskammergesetz ist keine Existenzsicherung des Wirtschaftsbundes geplant, sondern es soll damit eine neue und übersichtliche gesetzliche Grundlage für die Interessenvertretung der österreichischen Wirtschaft geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Die erfolgreiche Entwicklung unserer Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg beruht in erster Linie auf dem Fleiß der Österreicherinnen und Österreicher und der Betriebe, die risikobereit sind und waren und sich auch im Ausland präsentiert haben. Ihnen ist zu danken. Diese Entwicklung ist aber auch darauf zurückzuführen, daß in unserem Land stabile politische Verhältnisse herrschen, daß wir ein festgefügtes Kammersystem haben und daß die Sozialpartnerschaft funktioniert.

Erlauben Sie mir, einige grundsätzliche Bemerkungen zu unserem Kammersystem zu machen. Die Kammern sind in Österreich seit Jahrzehnten Bestandteil des politischen Systems, der politischen Kultur, und wir sind damit gut gefahren. Die Sozialpartnerschaft ist die große Errungenschaft der Zweiten Republik.

Von den Freiheitlichen wird immer von der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern gesprochen. Sie haben anscheinend übersehen, daß es vor drei Jahren Urabstimmungen im Kammersystem gegeben hat. Anhand der Tatsache, daß 82,3 Prozent zugestimmt haben, ein eindeutiges Ja abgegeben haben – es wurde auch ein eindeutiges Ja zu den anderen Kammern, zur Arbeiterkammer, zur Landwirtschaftskammer abgegeben –, sieht man, welch enormen Rückhalt dieses Kammersystem hat. (Bundesrat Weilharter: Mit welcher Fragestellung?) – Sie wollen es nicht zur Kenntnis nehmen, ich weiß es. Sie wollen das Ganze ignorieren, Kollegen! (Bundesrat Dr. Böhm: Daß es überhaupt eine gibt! Nicht eine Zwangsmitgliedschaft!)

Sie sprechen von einer Zwangsmitgliedschaft, Herr Kollege! Herr Universitätsprofessor! Ich glaube, Sie wissen, wie das ist, wenn man Mitglied einer öffentlichen Körperschaft ist. Wir alle sind Österreicher, wir sind in einem Bundesland zu Hause, wir sind in einer Gemeinde zu Hause – auch überall dort sind wir Zwangsmitglieder! Ich denke, Sie können nicht solch einen Begriff heranziehen! (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist etwas anderes!) – Wir sind dort Mitglieder, ob wir wollen oder nicht! (Bundesrat Weilharter: Der Vergleich hinkt!)

Herr Kollege Böhm! Sie wissen ganz genau, daß das Kammersystem im Jahr 1849 als Ergebnis der März-Revolution, also unter dem Einfluß des Liberalismus, dem Einfluß der Französischen Revolution, geschaffen wurde. Unser damals erstes Kammergesetz hat bereits zwei wesentliche Elemente enthalten: eine obligatorische Mitgliedschaft und den Interessenausgleich.

Das erste Kammergesetz wurde vor 130 Jahren, im Jahr 1868, geschaffen, und es war damals schon die Intention des Gesetzgebers, daß er einerseits einen starken Verhandlungspartner der Wirtschaft haben wollte und daß andererseits schon damals die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen versucht haben, im Rahmen der Selbstverwaltung ihre Interessen zu organisieren, als Bollwerk und als Sprachrohr gegenüber dem Staat, um mit einer Stimme aufzutreten.


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