Bundesrat Stenographisches Protokoll 642. Sitzung / Seite 142

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Auch die Bürokratie wird durch das neue Kammergesetz nicht zurückgedrängt. Aus 108 Paragraphen im alten Wirtschaftskammergesetz sind im neuen Wirtschaftskammergesetz 150 geworden. Die Außenhandelsorganisation, die Kollege Kaufmann soeben erwähnt hat, war früher in einem eigenen Gesetz geregelt, wird aber jetzt im § 42 lapidar mit einem Satz geregelt, der da heißt: Zur Außenwirtschaftsförderung unterhält die Bundeskammer entsprechende Einrichtungen. – Damit wird ein Milliardenimperium geregelt! Das kann es auch nicht sein.

Bei aller Kritik an diesem Gesetz möchte ich aber erwähnen, daß in der Kammer sehr viele hilfsbereite Mitarbeiter mit hervorragenden Fachkenntnissen tätig sind, die viele Unternehmer und Unternehmungen unterstützen. Besonders in den Fachverbänden – aus persönlicher Erfahrung kenne ich den Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie – sind gut organisierte, kompetente, hilfsbereite, fleißige Mitarbeiter im Einsatz. Von den Fachverbänden fühle ich mich – im Gegensatz zur Bundeswirtschaftskammer auf der Wiedner Hauptstraße – gut vertreten. Präsident Kaun von der Wirtschaftskammer Oberösterreich hat in diesem Bundesland sehr viel bewegt, kann sich aber mit seinen Reformvorschlägen in der Bundeswirtschaftskammer in Wien leider überhaupt nicht durchsetzen.

Aufgrund der genannten strukturellen, organisatorischen und demokratischen Defizite werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.04

Präsident Alfred Gerstl: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile dieses.

10.04

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann! Sie haben völlig zu Recht vermutet, daß wir diesem Wirtschaftskammer- und dem Arbeiterkammergesetz nicht unsere Zustimmung geben können. Einerseits verbietet uns das unsere Gesinnung, andererseits kann ich das als Unternehmerin nicht.

Manchmal ist es so, als ob zwei Menschen in einem Menschen wohnen würden: der eine, der alles gut macht und den du der Außenwelt zeigst, und der andere, für den du dich schämen mußt. – Für diesen Menschen hätte sich Wirtschaftskammerpräsident Maderthaner spätestens dann schämen müssen, als er bei der immens wichtigen Abstimmung über die Getränkesteuer mit seinem Schatten, den Abgeordneten Stummvoll, das Plenum verließ, um nicht abstimmen zu müssen und die große Koalition nicht zu gefährden. Warum ist das so? – Weil ein Mensch kein Gott ist, kein Engel und schon gar kein Superwesen, doch die Erfahrung der eigenen Schwächen würde ihn verständnisvoll gegenüber seinen Mitmenschen machen. Wer aber sein Versagen niemals erkennen will, wird selbstgerecht und hart wie Stein auch seinen Mitmenschen gegenüber. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Amen! Amen!)

So auch unser Präsident Maderthaner, der die Chance, ehrlich gegenüber seinen Unternehmern zu sein, bei der Befragung über die Kammermitgliedschaft nicht wahrgenommen hat. Die Frage wurde sehr geschickt formuliert, Frau Ministerin: Wollen Sie die Wirtschaftskammer – ja oder nein? Warum nicht ehrlich: Wollen Sie eine freiwillige Mitgliedschaft, oder wollen Sie eine Zwangsmitgliedschaft? – Dann hätten Sie ein ehrliches Ergebnis der Umfrage gehabt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und wie macht die Wirtschaftskammer weiter? (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren Kollegen von der ÖVP! Gerade Sie betrifft es, weil Sie die sogenannte Wirtschaftspartei verkörpern. – Über Schwächen und Fehler bei dir selbst brauchen wir uns nicht zu wundern, aber du darfst sie auch nicht vertuschen und zu Tugenden verdrehen. Wir machen es nicht, wir Freiheitliche, Herr Kollege Kaufmann! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Meier: Das ist eine kühne Behauptung!)

Lieber Herr Kollege! Du mußt damit leben lernen. Wir mußten damit leben lernen. Herr Kollege Kaufmann! Ich wünsche Ihnen, daß in den Reihen der ÖVP niemals das passiert, was bei uns


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