Bundesrat Stenographisches Protokoll 644. Sitzung / Seite 49

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tenwahlrecht eingebunden, es besteht aber keine Möglichkeit für sie, ihr Wahlrecht für die Landtage oder für die Gemeinderäte auszuüben.

Das bedeutet in der Praxis: Ein Tiroler, der sich am Tag der Tiroler Landtagswahl nicht in Tirol aufhält, ist, ob er nun in Salzburg, in Bayern oder in Südtirol ist, von der Ausübung des Wahlrechtes ausgeschlossen. Und auch jemand, der sich am Tag der Gemeindevertretungswahl krankheitsbedingt im Krankenhaus seiner Nachbargemeinde aufhält, ist vom Wahlrecht für die Gemeinderatswahl ausgeschlossen. Ich meine, das ist mit der heute festzustellenden Mobilität der Bevölkerung – auch im Inland – nicht mehr in Einklang zu bringen!

Einer der Lösungsansätze, der häufig diskutiert wird, ist die Briefwahl, die auf Bundesebene im Ausland und auch bei der Arbeiterkammerwahl möglich ist, nicht aber bei der Landtagswahl oder bei der Gemeinderatswahl. Das wird damit begründet, daß der Verfassungsgerichtshof darin einen Widerspruch zu den Wahlrechtsgrundsätzen der Bundesverfassung erblickt. Wenn es politisch gewollt und sachlich richtig ist, sind allerdings auch diese Grundsätze an neu gesehene Gegebenheiten und Notwendigkeiten anpaßbar, gar keine Frage. Derselbe Sachverhalt bestand bei der Einführung der Bürgermeister-Direktwahl: Der Verfassungsgerichtshof sah ursprünglich einen Widerspruch zu den Grundsätzen der Bundesverfassung. Dann war es jedoch der Wille der verfassungsgebenden Mehrheit, diese Direktwahl doch möglich zu machen, und daher wurde die Verfassung in diesem Punkt geändert.

Die Briefwahl hat sich im Ausland ausgesprochen bewährt, sie ist in der überwiegenden Zahl der Mitgliedsländer der Europäischen Union verbreitet. Wir haben gerade am vergangenen Sonntag anläßlich der Bundestagswahl in Deutschland gesehen, wie stark sie in Anspruch genommen wird und wie wenig der vielfach ins Treffen geführte Mißbrauch tatsächlich vorkommt: Ein solcher ist Jahrzehnte zurück in relevanter Häufigkeit in keinem der Anwendungsfälle feststellbar gewesen.

Ich denke daher, daß sich Österreich dem europäischen Standard einer möglichst großen Erleichterung des Wahlrechts angesichts der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung anpassen und den einstimmig geäußerten Wunsch mehrerer Landtage aufgreifen sollte, damit wenigstens die Landtage verfassungsrechtlich in die Lage versetzt werden, diese Möglichkeit für sich selbst einführen zu können, wenn sie es wollen und wenn sie eine ausreichende Mehrheit dafür haben.

Noch ein kurzes abschließendes Wort zum Entschließungsantrag, den Herr Kollege Dr. Böhm eingebracht hat: Er hat ein interessantes Thema angesprochen, das vielfach diskutiert wird, eine Regelung, die es in einzelnen Landesverfassungen auch schon gibt. Ich denke aber, daß man in diesem Zusammenhang sozusagen etwas tiefer graben und die Diskussion insbesondere unter Beteiligung der Länder führen sollte. Es wäre eigentlich unsere Aufgabe, diesen Diskussionsprozeß mit den Ländern einzuleiten, ohne ihn durch einen Entschließungsantrag zu präjudizieren. Mir ist – abgesehen davon, daß mein Land für seine eigene Verfassung eine solche Regelung vorgesehen hat – keine Willensäußerung eines Landes bekannt, daß man das auf Bundesebene betreiben soll. Es ist möglich, daß das noch kommt, mir liegt jedoch nichts vor. Wir können also nicht gut sagen, daß wir diesbezüglich ein von den Ländern artikuliertes Anliegen aufgreifen. Es ist dies ohne Frage ein Anliegen der Freiheitlichen Partei; das wird auch schon daraus sichtbar, daß derselbe Antrag wortident im Nationalrat bereits eingebracht wurde und dort keine Mehrheit gefunden hat.

Ich möchte abschließend dazu sagen: Wenn Sie schon etwas zur Belebung der Diskussion und der Willensbildung beitragen wollen, dann wäre es hilfreich, wenn Sie frischen Kaffee und keinen aufgewärmten servieren! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

12.17

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jürgen Weiss! Die Begründung, daß


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