Bundesrat Stenographisches Protokoll 645. Sitzung / Seite 84

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Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend 50 Millionen Schilling für "die Fortsetzung eines Mittagessens" (1508/J-BR/98)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer als Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort.

14.26

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Vor einigen Monaten dieses Jahres haben der französische Präsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl im Zuge ihrer bekannt guten Beziehungen die Idee gehabt, einen gemeinsamen Vorstoß in Sachen Europapolitik zu machen.

Wie Sie wissen, war in Deutschland zu dieser Zeit gerade Wahlkampf, und Mr. Europa Helmut Kohl befürchtete, daß seine jahrelang massiv zur Schau gestellte EU-Euphorie seine Wahlchancen beeinträchtigen könnte. Über Nacht und offensichtlich unter dem Eindruck entsprechend negativer Umfragen reifte in den beiden die "Erkenntnis", daß Europa nicht nur aus der Kommission, dem Euro, der Agenda 2000 und aus der Osterweiterung besteht, sondern daß es da auch noch Bürger gibt in Europa, die vielleicht gar nicht so begeistert sind von dem, was von den Brüsseler Hochburgen auf sie niederprasselt.

Bei der Regierungskonferenz hat man die Bürger nicht mitreden lassen, in Amsterdam schon gar nicht. Auch beim Euro hatten sie nichts zu melden, und zur Osterweiterung fragt man sie erst recht nicht. Aber im Wahlkampf geht es nicht ohne die Bürger – denn das immerhin dürfen die Bürger noch, nämlich alle vier Jahre ihr Kreuzchen auf den Stimmzettel machen. Dann muß man ihnen klarmachen, daß man zwar alles ohne sie, aber dafür alles für sie getan hat.

Dabei macht es sich natürlich gut, wenn man mehr vom "Europa der Bürger" und weniger vom Europa der Agenda 2000 und ähnlichem redet. Das Wort "Bürgernähe" schmückt jeden Wahlkämpfer ungemein, und immer, wenn ein Wahlkampf im Gange ist, erinnert man sich auch wieder daran, daß irgendwo im Vertrag das Wort "Subsidiarität" auf geduldigem Papier steht. Dann ist es natürlich wichtig, klarzumachen, daß man "jetzt" und "jetzt wirklich" und "endgültig" das Wort "Subsidiarität" auch mit Leben erfüllen möchte und daß man es jetzt auch wirklich ernst damit meint.

So haben innerhalb kürzester Zeit alle Regierungschefs in der Europäischen Union wechselseitig aneinander die Forderung gestellt, daß man jetzt endlich bürgernah, transparent und natürlich viel demokratischer als bisher werden müßte. Und jeder von ihnen beteuerte, daß das ohnehin schon immer seine Meinung gewesen wäre, aber die säumigen Kollegen hinderlich gewesen seien.

Auch unserem Herrn Bundeskanzler ist es plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen, daß eigentlich viel zu viel in Brüssel geregelt wird und daß das gar nicht notwendig wäre und daß man manches durchaus wieder in den nationalen Bereich zurückverlagern könnte. Dafür – das hat er nicht nur den Österreichern, sondern gleich allen Europäern ganz fest versprochen – werde er sich jetzt persönlich einsetzen. So wurde die Idee vom Sondergipfel in Pörtschach geboren.

Offen war nur noch der Zeitpunkt. Vor der deutschen Wahl sollte es möglichst nicht sein, weil es unschön gewesen wäre, wenn man dann ohne Ergebnis vor die Fernsehkameras hätte treten


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