Bundesrat Stenographisches Protokoll 646. Sitzung / Seite 110

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Allein die Zahl der aufgegriffenen Schlepper und illegalen Grenzgänger ist von Jänner bis September – nach Ihren eigenen Angaben, Herr Bundesminister! – um 45 Prozent gestiegen. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich um ein Vielfaches höher. Wenn man sich die Medienberichte über die Zustände in unseren Nachbarländern ansieht, dann weiß man, daß die Situation in Europa insgesamt dramatisch ist.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat vor wenigen Tagen einen sehr ausführlichen Artikel über diese Problematik veröffentlicht, in welchem es unter anderem heißt: All diese Probleme lassen sich nicht mehr im nationalen Rahmen lösen, denn alle Länder West- und Südeuropas sehen sich dem Druck zweier großer Zuwanderungsströme ausgesetzt. Der eine Strom kommt aus Afrika, von wo aus immer mehr Menschen über Spanien und Italien in die EU illegal einreisen. Der zweite Strom kommt aus dem Osten, den ehemaligen kommunistischen Ländern Europas, schließlich aus Krisenregionen wie den Kurdengebieten in der Türkei, dem Irak und Iran, aus Afghanistan, China, Vietnam, Pakistan, Bangladesch und anderen asiatischen Ländern. Mitarbeiter von Europol schätzen, daß jedes Jahr etwa 300 000 Menschen in die EU geschleust werden. Polnische Sicherheitsfachleute und Bundesnachrichtendienst vermuten, daß jenseits der deutschen Ostgrenze mehr als 1 Million Menschen nach einer Möglichkeit suchen, auf irgendeine Weise nach Deutschland einzureisen.

Schengen – das ist damit klar geworden – ist auf der ganzen Linie gescheitert. Es hat Österreich nicht nur Milliardenkosten für Aufwendungen beschert, an denen sich die Europäische Union mit keinem Schilling beteiligt, obwohl wir 1 400 Kilometer EU-Außengrenze zu sichern haben, sondern es ist auch nicht geeignet, an den Binnengrenzen der EU-Staaten für Sicherheit zu sorgen. Das führt zu einem enormen Sicherheitsrisiko für die österreichische Bevölkerung, und wir würden gerne von Ihnen, Herr Bundesminister, wissen, was Sie konkret tun werden, um dieses Problem zu lösen, denn Schönreden und Probleme und Fakten zu ignorieren, wie das in den letzten Tagen von vielen Seiten – nicht nur von Ihnen, sondern von vielen anderen Seiten auch – der Fall war, ist sicher nicht dazu angetan, dieses Problem zu lösen. Es wird nicht genü-gen, auf diese Weise weiterzumachen. Das ist eine Vorgangsweise, die in höchstem Maße ver-antwortungslos ist. Deswegen bitte ich Sie, heute in Ihrer Beantwortung unserer dringlichen Anfrage die an Sie gestellten Fragen entsprechend konkret zu beantworten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. – Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

16.16

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Bundesrätin Riess-Passer! Ich bin der Freiheitlichen Partei sehr dankbar, daß sie mir heute diese dringliche Anfrage gestellt hat, und zwar aus zwei Gründen: Der erste Grund ist der, daß Sie in dieser dringlichen Anfrage an mich meiner Meinung nach in hervorragender Weise aufgelistet haben, was in den letzten Jahren alles im Bereich des Innenministeriums geschehen ist, welche Investitionen wir getätigt haben, welche Geldmittel dafür ausgegeben worden sind und wie sich die Aufgriffszahlen entwickelt haben. Das ist so gut zusammengestellt, daß ich die Inhalte dieser Anfrage gerne für meine Referattexte in der näch-sten Zeit verwenden werde. Ich habe mir dadurch eine Menge Arbeit erspart. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Bieringer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Grund, weshalb ich dankbar bin, ist der Umstand, daß Ihre dringliche Anfrage von heute sehr eindrucksvoll beweist, in welchem Spannungsfeld wir in Österreich in dieser Problematik stehen und wie unterschiedlich die politischen Positionen sind. Vor einigen Tagen ist der Innenminister, sind das Parlament und die Öffentlichkeit unter dem Eindruck der Diskussion gestanden: Ist es sinnvoll, das Asylgesetz zu verschärfen? Soll man das Asylgesetz aufmachen? Wie soll die Zuwanderung erfolgen? – Heute und in den letzten Tagen hat sich gleichzeitig eine andere Diskussion rund um die Ereignisse an der Brennergrenze entwickelt, in welcher genau die gegenteilige Position vertreten wird. An


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite