Bundesrat Stenographisches Protokoll 648. Sitzung / Seite 52

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Peter Harring, Ulrike Haunschmid, DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neuerliches Belastungspaket (1560/J-BR/98)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

16.03

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Mit einer Steuer- und Abgabenquote von rund 45 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahre 1997 lag Österreich innerhalb der EU im Spitzenfeld und kann daher zu Recht als Hochsteuerland bezeichnet werden.

Erschwerend kommt hinzu, daß das österreichische Steuerrecht bereits derart unübersichtlich geworden ist, daß es von zahlreichen Experten im In- und Ausland als kompliziert, unverständlich, ineffizient und bis zur Unerträglichkeit unfair und ungerecht bezeichnet wird. Das derzeitige Steuersystem wird laut einer vor kurzem veröffentlichten Umfrage von nur mehr knapp einem Drittel der Österreicher für gerecht gehalten. Eine Vielzahl von Experten verlangt sogar die Schaffung eines komplett neuen Steuersystems, da sie das geltende Recht für nicht reformierbar halten.

Anstatt aber die Kritik der Experten zu beachten, sind Sie, Herr Bundesminister, und Ihr Koalitionspartner nicht wirklich bereit, neue Wege zu beschreiten und die Steuerzahler durch ein neues, einfacheres Steuersystem spürbar zu entlasten. Statt dessen überlegen SPÖ und ÖVP lediglich, wie sie neue Einnahmequellen erschließen können, wie zum Beispiel durch die Anhebung der Energiesteuern unter dem Deckmantel der Ökologisierung – ein Vorschlag, den Sie jetzt anscheinend wieder zurückgestellt haben.

Über Senkungen der Ausgaben wird in den meisten Bereichen so gut wie gar nicht ernsthaft diskutiert. Herr Minister! Daher kritisiert auch Professor Felderer vom IHS die Vorgangsweise der Regierung zu Recht, indem er sagt, es sollten steuerpolitische Maßnahmen getroffen werden, um den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten. Es ist offensichtlich, daß dies in der Situation, in der sich Österreich befindet, nur durch eine Reduzierung der Staatsausgaben und kaum durch die Erhöhung anderer Steuern finanziert werden kann.

Obwohl eine Steuerreform unabdingbar ist, welche den Wirtschaftsstandort Österreich stärkt, die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher erhöht und somit durch eine erhöhte Inlandsnachfrage die Arbeitslosigkeit bekämpft, beabsichtigen Sie, meine Damen und Herren von der Koalitionsregierung, eine auf mehrere Etappen verteilte Steuerreform zu entwickeln, welche weder eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote noch einen Beschäftigungseffekt bewirkt, sondern vielmehr als ein neuerliches Belastungspaket bezeichnet werden muß.

Fehlender Reformwille ist auch der hauptsächlich aus Interessenvertretern zusammengesetzten Steuerreformkommission vorzuwerfen, die ihrer Aufgabe, nämlich der Erarbeitung einer großen Steuerreform, nicht ausreichend nachgekommen ist.

Anstatt ein diskussionsfähiges Gesamtkonzept auch über Ausgabeneinsparungen vorzulegen, beschränkte sich diese Kommission darauf, einen Bericht mit einer Ansammlung von Empfehlungen und Rechenbeispielen ohne Bewertung anzubieten, die in Summe auf Steuererhöhungen


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