Bundesrat Stenographisches Protokoll 648. Sitzung / Seite 54

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Höhere Steuerquoten als Österreich haben Luxemburg, die Niederlande, Frankreich, Belgien, Finnland, Dänemark und Schweden, Länder mit einem ausgeprägten Sozialsystem, Länder, die durchaus auf sozial Schwächere in adäquater Form Rücksicht nehmen. Insofern ist zunächst einmal eine dieser Thesen, die Sie in Ihrer Anfrage aufstellen, nämlich daß Österreich im Spitzenfeld der Abgabenquote der Europäischen Union liegt, falsch.

Im Vergleich etwa zu Deutschland möchte ich feststellen, daß Österreich eine Reihe von Maßnahmen, nicht zuletzt jene der Familienpolitik, über Transfers regelt, während die Deutschen in größerem Maße Steuerabsetzbeträge dafür verwenden. Das bedeutet, daß Länder, die ein sozial ausgewogenes System der Familienbesteuerung haben und mit Transfers arbeiten, von allein dadurch höhere Abgabenquoten erzielen, weil ich zunächst einmal die Steuern einnehmen muß, die wir dann über Transfers an die Familien weitergeben.

Ein zweiter Aspekt, der etwa Deutschland und Österreich nicht ganz vergleichbar macht, ist, daß in Österreich die Notenbank körperschaftsteuerpflichtig ist, während sie in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union, nicht zuletzt auch in der Bundesrepublik Deutschland, körperschaftsteuerfrei ist. Im Vergleich allein der Transfers und der Körperschaftsteuerpflicht der Notenbank würde sich, würden wir andere Systeme entwickeln, die Abgabenquote in Österreich um 2 Prozent minimieren, ohne daß irgend jemand mehr oder weniger vom Staat bekommt oder für den Staat leistet.

Zweitens: Österreich ist keineswegs ein Hochsteuerland. Dafür läßt sich auch jederzeit der Nachweis erbringen. Bei wichtigen Steuern liegen die Steuersätze in Österreich sogar vielfach unter dem europäischen Durchschnitt. Ich erwähne nur einige Beispiele: Zehn Länder der Europäischen Union haben einen höheren Eingangssteuersatz und acht EU-Länder haben höhere Spitzensteuersätze als Österreich. In den meisten EU-Ländern wird also Arbeit der Erwerbstätigen höher besteuert als in Österreich. Neun EU-Länder haben höhere Körperschaftsteuersätze als Österreich. Nur in vier EU-Ländern, nämlich in Finnland, Großbritannien, Luxemburg und Schweden, sind die Unternehmensgewinne geringer besteuert als in Österreich. Auch im Bereich der Umsatzsteuer liegt Österreich relativ exakt im Mittelfeld zwischen 16 Prozent in der Bundesrepublik Deutschland und 25 Prozent in Schweden oder Dänemark, das kann ich jetzt nicht mit Exaktheit sagen.

Dritte Bemerkung: Unrichtig ist weiters die Feststellung, daß Österreich ein kompliziertes, unverständliches und ineffizientes Steuersystem aufweist. Im Gegenteil! Das derzeitige Steuersystem Österreichs wird über weite Strecken als vorbildlich bezeichnet und in einigen EU-Staaten geradezu als Modell empfohlen, vor allem bei der Unternehmens- und Kapitalbesteuerung. Ich denke an die günstigen Körperschaftsteuersätze und an die Endbesteuerung bei den Kapitalerträgen.

Was am österreichischen Steuersystem noch verbessert werden könnte, habe ich der Steuerreformkommission als Aufgabenstellung zugewiesen. Sie sollte insbesondere überprüfen, auf welchen Wegen die Steuerbelastung des Faktors Arbeit abgebaut werden kann. Weiters sollte eine gerechte Besteuerung des Kapitalvermögens untersucht werden. Die Steuerreformkommission hat zu all diesen Vorgaben eine Reihe von durchaus diskussionswerten und interessanten Vorschlägen erstattet. Diese bieten eine wichtige Grundlage für die bereits in Gang befindlichen Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien.

Vierte Vorbemerkung: Sämtliche Vorschläge der Steuerreformkommission sind auf strikte Aufkommensneutralität ausgerichtet. Es ist nämlich nicht Aufgabe von Experten, eine Steuerreform vorzuschlagen, sondern Optionen zu erarbeiten. Es ist und bleibt Aufgabe der Politik, eine Steuerreform vorzuschlagen. Daher habe ich der Steuerreformkommission diese Aufgabe auch nicht gestellt, denn wir dürfen bei unseren Bemühungen um eine Steuerreform nicht auch andere Notwendigkeiten und Verpflichtungen außer acht lassen, etwa die Stabilität und Konsolidierung des Budgets. Ich erinnere beispielsweise an das Stabilitätsprogramm für die Jahre 1998 bis 2002, das die Bundesregierung erst vor wenigen Wochen beschlossen hat und das eine weitere Verringerung des Staatsdefizits und der Schulden bis zum Jahr 2002 anpeilt. Auch


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