Bundesrat Stenographisches Protokoll 648. Sitzung / Seite 76

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Sie stehen auf dem Standpunkt, Sie wollen auch keine willkürliche Steuerreform machen. Das unterstellt Ihnen sicherlich niemand, Herr Bundesminister! Sie gelten als seriös und haben internationales Ansehen. Unsere schwierige Aufgabe in der Opposition ist es, gewisse Ungleichgewichte, wie wir sie zu erkennen glauben, darzustellen und gewisse moderne Ideen, wie wir meinen, wenn möglich in Ihr Konzept einfließen zu lassen, nämlich, da unserer Auffassung nach die Steuern derzeit zu hoch sind, daß man diese senken muß und den Bürgern mehr Eigenverantwortung im Sinne des mündigen Bürgers, den auch der Sozialdemokrat und die Sozialdemokratin predigt, gibt. Zahlt er weniger, kann er sich selbst aussuchen, wo er das Geld vielleicht ausgibt.

Man sollte das nicht ganz aus dem Blick verlieren, Herr Bundesminister, denn wir meinen, daß der Sozialstaat seine Grenzen überschritten hat. Er pervertiert die Anreize. Das Steuersystem verschafft jenen, die arbeiten und investieren, keinen Anreiz oder zuwenig Anreiz. Es erfolgt eine Anreizverzerrung, die sich aus Widerwillen gegen den Leistungsgedanken richtet, und es ist ein Fehler des Sozialstaates, diese Anreizverzerrung zu verlängern, Herr Bundesminister!

Geben wir jenen, die leistungswillig sind, doch die Möglichkeit, ihren Leistungswillen so einzusetzen, daß sie nicht um Almosen, um Zuschüsse und so weiter antreten müssen! Es ist natürlich für einen Minister immer populär, zu sagen: "Wir haben soundso viel Geld für diese und jene Gruppe herausgeholt!" – Vielleicht wäre das aber gar nicht notwendig, Herr Bundesminister, wenn man diese Gruppen dieses Geld nur endlich selbst verdienen ließe! Mehr wollen sie ja gar nicht!

Der Bürger ist grundsätzlich bescheiden. Er verlangt nur dann vom Staat etwas, wenn er den Eindruck hat, er zahlt zuviel. Wenn er zuviel zahlt, dann sagt er, das hole ich mir irgendwie zurück – und sei es zum Beispiel dadurch, daß er einmal mehr auf Kur geht als ein anderer.

Herr Bundesminister! Unser System, dieses Sozialsystem der Republik Österreich, funktioniert nur deshalb, weil viele systemwidrig handeln. Das heißt, sie gehen nie auf Kur, sie nützen das System nicht aus, weil sie zum Beispiel einfach nicht krankfeiern wollen. – Das ist es, was dieses System in Wahrheit aufrechterhält.

Wir müssen die Erfolge honorieren und die Leistungen belohnen! Heutzutage gibt es aber den Eingriff des Staates, um andere Eingriffe des Staates, vorangegangene Eingriffe des Staates, zu korrigieren. Das allein ist doch schon Anlaß dafür, ein Steuersystem auf seine Machbarkeit, auf seine Sozialverträglichkeit, auch was die Zukunft betrifft, zu überprüfen, Herr Bundesminister!

Herr Bundesminister! Die Zeitgeistökonomen senden Ergebenheitsadressen an eben diesen Zeitgeist, aber sie bewegen nichts mehr! Der Zeitgeist ist ein flüchtiges Täubchen, aber wir Freiheitlichen kämpfen gegen diesen Zeitgeist an. Wir wollen eine neue Idee einbringen und meinen, diese Idee mit der Flat tax oder fairen Taxe wäre zumindest auch hier zu behandeln – nicht gerade heute und jetzt, aber in Zukunft, in den Beratungen über das Steuersystem.

Herr Bundesminister! Nicht die Gleichheit schafft Effizienz, sondern die Freiheit, Leistung erbringen zu dürfen, schafft Effizienz, und diese Freiheit muß der Bürger wieder in sich spüren! Er muß wieder spüren, daß ihm das, was er für seine Leistung erhält, nicht gleich wieder abgenommen wird, um jenen, die nichts leisten wollen, die das System ausnützen wollen, zu nützen.

Wenn wir unsere Republik betrachten, dann erkennen wir, daß in den letzten 50 Jahren die politisch herrschenden Gruppen keine Politik für die fleißigen Leistungsträger, sondern immer mehr Umverteilungspolitik für immer mehr Leistungsnehmer betreiben. Nehmen wir doch zur Kenntnis: Auf der einen Seite stehen die Leistungswilligen, die Leistungswürdigen, die Leistungsmotivierten, die Leistungsträger, und auf der anderen Seite stehen jene, die nur Leistungen empfangen wollen.

Wenn das System so ist, dann gibt es viele, die folgendes sagen – hören Sie sich die eine oder andere fast lustige Sendung im Fernsehen darüber einmal an! –: "Was?! Wieso soll ich arbeiten gehen? Ich bekomme ohnehin die Notstandshilfe, und da und dort gehe ich ein bisserl pfuschen, dann komme ich schon zurecht. Die Donauinsel, die Coco Kabrana oder wie sie heißt, die gibt


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