Bundesrat Stenographisches Protokoll 656. Sitzung / Seite 19

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Praxis lehrt uns, daß es hier auch eines entsprechenden Engagements der Länder selbst und eines Rückhalts für ihre Vertreter bedarf. Das wäre umso notwendiger, als sich letztlich mit dem geringen Spielraum des Bundesrates kontinuierlich auch der Einfluß der Landtage auf die Gestaltung ihres Landes verringert. Es ist mir ein Anliegen, das Interesse der Länder für diese Zusammenhänge verstärkt zu wecken.

Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates neigt sich ihrem Ende zu, und wir können heute nicht abschätzen, welche Mehrheitsverhältnisse nach der Nationalratswahl die Bundesgesetzgebung prägen werden und welche Auswirkungen das auf die Tätigkeit des Bundesrates haben wird. Unabhängig davon halte ich es für notwendig, für die Zukunft zu einigen Fragen des Zusammenwirkens mit dem Nationalrat unsere Interessen zeitgerecht deutlich zu machen.

Das von allen im Bundesrat vertretenen Parteien zum Gegenstand eines Gesetzesantrages gemachte Stellungnahmerecht vor Fassung von Gesetzesbeschlüssen durch den Nationalrat wäre gemeinsam mit dem ebenfalls schon mehrfach beantragten Recht der Berichtigung formal fehlerhafter Beschlüsse eine praxisgerechte Ergänzung des Einspruchsrechtes.

Wir haben heute ein gutes Beispiel auf der Tagesordnung. Das Blutsicherheitsgesetz muß kurz nach seiner Beschlußfassung novelliert werden, um die unbeabsichtigte verfassungswidrige Rückwirkung einer Strafbestimmung zu berichtigen. Ein Einspruch kann in solchen Fällen über das Ziel schießen. Eine unmittelbare Berichtigungsmöglichkeit im Bundesrat wäre der zweckmäßige und der Rechtssicherheit dienende Weg. Immer mehr Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates setzen mit ihrem Inkrafttretenszeitpunkt stillschweigend voraus, daß der Bundesrat ohnedies sehr rasch durch die Nichtbeeinspruchung oder Zustimmung signalisieren werde, daß das Gesetz kundgemacht werden kann. Würde der von der Verfassung dafür vorgesehene Zeitraum von acht Wochen in Anspruch genommen, kämen teilweise sogar – bei Strafbestimmungen – verfassungswidrige rückwirkende Gesetzesbeschlüsse zustande.

Dieser versteckten Nötigung zu rascher Zustimmung sollten wir bereits im Vorfeld der Entscheidungsfindung entgegenwirken.

Weiters sehe ich die Notwendigkeit, vor allem bei Verfassungsgesetzen oder anderen Gesetzen mit unmittelbaren Auswirkungen für die Länder oder unklaren Folgekosten den Ländern – namentlich auch den Landtagen, die in der Regel nicht in die Begutachtungsverfahren eingebunden sind – die Möglichkeit einer eingehenden Prüfung zu gewährleisten. Ich gehe davon aus, daß sich der Verfassungsgesetzgeber etwas dabei gedacht hat, als er den Ländern im Wege des Bundesrates – ebenso wie umgekehrt der Bundesregierung bei Gesetzesbeschlüssen der Landtage – einen Prüfungs- und Koordinierungszeitraum von acht Wochen eingeräumt hat. Das gilt umso mehr, als die parlamentarischen Beratungen auch im Verfassungsrecht häufiger als früher zu Änderungen an Regierungsvorlagen oder zu kurzfristigen Beschlüssen aufgrund von Anträgen führen.

Nach dem Vertrag von Amsterdam wird dem Zusammenwirken des Europäischen Parlaments mit den in den Mitgliedstaaten bestehenden Europaauschüssen der Gesetzgebungsorgane künftig große Bedeutung zukommen. In der auslaufenden Gesetzgebungsperiode wurden die Österreich zustehenden sechs Sitze in der Konferenz der Europaausschüsse – kurz: COSAG – von den Nationalratsfraktionen de facto unter sich verteilt, fallweise unter Berücksichtigung des einen oder anderen Bundesrates. Da in der Zwischenzeit der Bundesrat einen eigenen EU-Ausschuß eingerichtet hat – mit verfassungsrechtlich abgesicherter Enderledigungsbefugnis –, ist wohl mit Recht zu fordern, daß dieser entsprechend den Intentionen des Vertrages von Amsterdam auch tatsächlich berücksichtigt wird.

Ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland müßte für den EU-Ausschuß des Bundesrates eine eigenständige Vertretung von vornherein außer Streit gestellt und nicht allen Nationalratsfraktionen nachgeordnet sein. Das gilt umso mehr, als die EU-Ausschüsse der Landtage von einer Mitwirkung an der COSAG ausgeschlossen sind und auf Informationen durch den Bundesrat verwiesen werden.


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