Bundesrat Stenographisches Protokoll 656. Sitzung / Seite 121

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geschlossen haben, verdanken wir heute, daß wir in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es konnte sich nie eine politische Partei so durchsetzen, daß sie sozusagen mit 50 Prozent allein prägend gewesen wäre, wie man sieht, wenn man kritisch und selbstkritisch die einzelnen Gesetzeswerke hinterfragt.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Eherechts-Änderungsgesetzes, wie der Beschluß des Nationalrates im Kurztitel heißt, steht die Frage: Soll die Scheidung aus Verschulden beibehalten werden? Vor allem linksliberale Kräfte wie auch aus ganz anderen Gründen die Richterschaft, also die Justiz, befürworteten die Reduzierung auf das Zerrüttungsprinzip. Wenn man einige Zeit bei Gericht gedient hat, wenn auch nur kurz wie ich, weiß man sehr wohl, warum die Richter, warum die Justiz nur für das Zerrüttungsprinzip plädieren.

Ideologisch hingegen liegen diesem Richtungsstreit zwei Fragen zugrunde: einmal, wieweit ein Ehepartner für die Zerrüttung der Ehe einstehen muß oder nicht, und zum zweiten, ob der Ehe in der Gesellschaft von heute noch eine Rangordnung zukommt, die sie von anderen Gemeinschaften unterscheidet und die ihr eindeutig einen höheren Rang einräumt.

Es darf aber auch der rein praktische Aspekt – wie angedeutet – nicht übersehen werden, nämlich daß man sich durch die Abschaffung des Verschuldensprinzipes die Vermeidung langwieriger Scheidungsprozesse – sehr häßlicher Prozesse, wie man weiß – und des sogenannten Schmutzwäschewaschens vor Gericht erhofft.

Das Verschuldensprinzip hat seine geistesgeschichtliche Grundlage in dem Gedanken, daß der Mensch für sein Tun letztlich einzustehen habe und dafür verantwortlich zu machen sei. Der uralte Gedanke von Schuld und Sühne basiert seinerseits auf der Idee einer zumindest weitgehenden persönlichen Freiheit, der zumindest einen gewissen Spielraum der Wahlmöglichkeit gewährt.

Verschiedene Rechtsordnungen haben das Verschuldensprinzip aus dem Scheidungsrecht eliminiert, etwa in der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch bleibt die Frage, wieweit dies aus der Sicht eines demokratischen Rechtsstaates wünschenswert ist, offen. Eine Demokratie lebt ja zum Unterschied von autoritären Regierungssystemen davon, daß sie sich in der Freiheit und der Verantwortung ihrer Bürger und der Verantwortung des Staates gegenüber seinen Bürgern konstituiert sieht. Mit Bürgern, von denen man annehmen muß, daß sie nur Opfer ihrer Triebe und Aggressionen und Produkte von Abstammung und Milieu wären, ist in der Demokratie im wahrsten Sinn des Wortes kein Staat zu machen.

Die Volkspartei tat also gut daran, als eine den Werten verpflichtete, den freien Menschen voraussetzende, christlich-demokratische Partei allen Bestrebungen entgegenzutreten, die Verantwortung des Bürgers für sein Tun und Lassen in wesentlichen Bereichen einzufordern und Überlegungen – wenn auch verständlichen Überlegungen – nicht bloßer Zweckmäßigkeit zu opfern. Andererseits ist aber, wie uns die Psychologie lehrt, nicht zu verkennen, wieweit menschlicher Wille im Kraftfeld irrationaler un- und unterbewußter Mächte steht, und ferner, wie die Verwobenheit menschlicher Beziehungen die Feststellung der Verantwortung ganz oder teilweise unmöglich macht.

Der Gesetzgeber versucht dieser Tatsache dadurch Rechnung zu tragen, daß er Sachverhalte und ihre Rechtsfolgen mit unbestimmten Gesetzesbegriffen wie "Billigkeit", "Zumutbarkeit", "Angemessenheit" und ähnlichem verknüpft und damit eine Brücke zwischen Praxis und purer Verantwortung schlägt. So war auch die Normierung der §§ 68a und 69 des vorliegenden Nationalratsbeschlusses eines Eherechts-Änderungsgesetzes Ausdruck dieses Ringens. Wenn man sagt, man kann doch nicht dem Zerstörer der Ehe gleichsam zum Dank einen Unterhaltsanspruch einräumen, so ist doch nicht zu verkennen, daß die Klinge der Justiz nicht so scharf und so fein ist, um immer den wahrhaft Alleinschuldigen, zumal im ethischen Sinn, zu orten. Denn der rechtlich Alleinschuldige muß nicht notwendig der menschlich-moralische Alleinschuldige sein. Dazu kommt, daß durch den Ausschluß jedes Unterhaltsanspruches des Alleinverschul


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