Bundesrat Stenographisches Protokoll 661. Sitzung / Seite 13

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Erlauben Sie mir, noch auf einen Punkt einzugehen, der uns wichtig ist und den wir gleich zu Beginn außer Streit stellen wollen. Österreich hat eben – anders als vielleicht andere Länder Europas – eine sehr schmerzliche und auch dunkle Phase in der Geschichte des vorigen Jahrhunderts gehabt, und wir wollen Ihnen ganz bewusst am Beginn unserer Zusammenarbeit Vorschläge machen, wie wir – vielleicht mutiger als in früheren Zeiten – mit diesen dunklen Seiten der Geschichte umgehen wollen.

In der Regierungserklärung, in unserem gemeinsamen Programm findet sich ein klares Ja zu einer Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Es sind mittlerweile erschütternde Dinge zu Tage gekommen. Die Historikerkommission hat einen Zwischenbericht präsentiert – wenn es das Haus will, können wir die Kurzfassung gerne zirkulieren lassen –: Es leben von der einstmals einen Million Zwangsarbeiter – es war immerhin jeder zweite oder dritte Arbeitnehmer in der damaligen Zeit ein Zwangsarbeiter – noch etwa 240 000. Zum Teil sind das bereits sehr alte Menschen. Davon sind etwa 20 000 KZ-Insassen, 20 000 Roma und Sinti. Es gibt ein entsetzliches Zusatzkapitel: Viele Frauen haben in dieser Phase Kinder geboren, kleine Kinder gehabt: Fast alle wurden umgebracht, ganz wenige haben überlebt. Und ich finde, es ist ein Gebot der Stunde, dass wir jetzt sofort zu handeln beginnen. Wir haben in der letzten Ministerratssitzung gemeinsam beschlossen, dass Maria Schaumayer die Regierungsbeauftragte für diesen Teil der Verhandlungen mit den Opferverbänden, mit der Wirtschaft, die primär gefordert ist, sein wird. Wir wollen aber auch subsidiär von Seiten des Staates oder anderer staatlicher und öffentlicher Institutionen mithelfen.

Ähnliches gilt für den Bereich von Themen die Holocaust-Opfer betreffend, die noch nicht abgehandelt sind. Elisabeth Gehrer hat sehr viel gemacht im Bereich der Kunst-Restitution, was Bundes-Sammlungen betrifft; Ähnliches wird für andere Sammlungen zu gelten haben. Wir werden uns bemühen, die Archive zu öffnen, wir werden uns bemühen, mit den Versicherungsgesellschaften eine Kulanzlösung zu finden. Ich meine, dass auch hinsichtlich dieses Themas noch einiges an Arbeit auf uns wartet, und wir wollen bewusst diese Fragen der Vergangenheitsbewältigung an den Beginn dieser unserer Zusammenarbeit stellen.

Meine Damen und Herren! Ich bin damit am Ende meines kurzen – hoffentlich nicht zu kurzen oder zu langen – Berichts. Ich wollte Ihnen berichten, was wir in den ersten 14 Tagen gemacht haben. Wir haben ein mutiges, ambitioniertes Reformprogramm ausgearbeitet. Es liegt bereits eine neue Kompetenzverteilung vor. Das Budget für das Jahr 2000 wurde präsentiert und ist ausverhandelt. Wir haben in der Vergangenheitsbewältigung die ersten Schritte gesetzt. Und trotz allen Drucks von innen und von außen: Diese Regierung wird sich nicht beirren lassen, sie wird mutig einen demokratischen, österreichischen, europäischen Weg gehen, und sie wird unser Motto "Österreich neu regieren" mit Leben erfüllen. Das heißt sozial regieren, das heißt effizient regieren, das heißt sparsam regieren, aber auch mutig regieren. – Ich danke Ihnen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.46

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

11.47

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! (Der soeben in den Saal gekommene Bundesminister Dr. Krüger ist auf der Suche nach einem Sitzplatz.) – Wir können nichts dafür, unser Sitzungssaal ist so klein, Herr Justizminister!

Es wird der Amtsantritt dieser Regierung vermutlich wirklich ein geschichtliches Datum sein, und es wird dieser Regierung für die politische Entwicklung dieser Republik gar nicht genug Anerkennung gezollt werden können. Wir erleben – ich halte das für eine wirkliche Errungenschaft dieses Landes – eine rasante Entwicklung der politischen Zivilgesellschaft, einen Demokratieschub und eine enorme Anstrengung der politischen Bildung. Wenn sich in diesem Lande vor


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