Bundesrat Stenographisches Protokoll 664. Sitzung / Seite 77

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Die SPÖ-Nationalräte im Justizausschuss hatten den Wunsch geäußert, dass die Kostenabrechnungen besser und übersichtlicher dargestellt werden und so auch für Klienten mehr Verbindlichkeit bekämen. – Seitens der Regierungsparteien ist man diesem Gedanken nicht nähergetreten. Schade, kann ich nur sagen, denn soweit war man eigentlich nicht auseinander. – Für die Betroffenen, für nicht so begüterte Leute, wären diese Überlegungen jedenfalls bedeutend gewesen.

Diskussionen gab es im Zusammenhang mit den Niederlassungsrichtlinien für die Rechtsanwaltschaft, besonders darüber, ob es eine interdisziplinäre Gesellschaft zwischen Anwälten und Wirtschaftstreuhändern geben soll oder nicht.

Dass es in solchen Fragen verschiedene Meinungen und Standpunkte gibt, versteht sich natürlich von selbst; auch was Dauer des Studiums und der Gesamtausbildung anlangt. Festzustellen ist, dass diesbezüglich in Österreich, Studium- und Rechtsanwaltszeit zusammengenommen, eine längere Ausbildungszeit als in anderen europäischen Ländern gegeben ist.

Als Nicht-Jurist möchte ich mir kein Urteil darüber erlauben, ob mit einer kürzeren Ausbildungs- und Praxiszeit ein gleicher Qualitätsstand erreicht werden kann. Qualität muss allerdings gesichert werden – und umso mehr müssen natürlich gleiche Ausgangspositionen auch im Hinblick auf den Wettbewerb gegeben sein.

Die SPÖ bekennt sich zu den freien Berufen, allerdings müssen auch gleiche Chancen und Möglichkeiten gegeben sein. Eine Anregung dazu wäre, dass gesetzliche Regelungen getroffen werden, die es Juristen mit speziellerer oder besserer Ausbildung ermöglichen, dies auf Firmenpapier, Firmenschildern oder auf verschiedensten Datenträgern kennzeichnen zu dürfen. – Eine höhere Qualifikation sollte unserer Meinung nach dazu berechtigen.

Bei all diesen Überlegungen müssen aber natürlich der Rechtsschutz und die Beratung der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen – und das hat auch für die Zukunft gesichert zu sein.

Nach langen und reiflichen Überlegungen muss ich Ihnen mitteilen, dass die SPÖ-Bundesrätinnen und -Bundesräte dazu keine Zustimmung erteilen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.38

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit seinem Beschluss vom 26. April 2000 hat der Nationalrat die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Feber 1998 innerstaatlich umgesetzt. Diese Richtlinie wurde zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einem anderen Mitgliedstaat als in jenem, in dem die Qualifikation erworben wurde, erlassen.

Da kein Zweifel daran besteht, dass dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe voll entsprochen werden muss, wird meine Fraktion dieser Vorlage zustimmen – das allerdings mit gewissen Bedenken, denn es wäre die legislativpolitische Aufgabe des Nationalrates gewesen, die jeden Mitgliedsstaat verpflichtende EU-Richtlinie in verfassungskonformer Weise umzusetzen. Die auf diesem Gebiet hiemit vollzogene Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit darf nämlich nicht zu einer Inländerdiskriminierung und damit zu einer Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatzes führen.

Eben das wird aber mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates meiner Rechtsauffassung nach bewirkt. Rechtsanwälte aus dem EU-Ausland, wie immer sie im Herkunftsstaat ihre Berufsberechtigung erworben haben, werden sich zukünftig sofort und ohne jeden Nachweis österreichischer Rechtskenntnisse bei uns niederlassen können. Und nach einer bloß dreijährigen Berufsausübung im Inland erlangen sie die vollen Rechte eines österreichischen Rechtsanwalts, sind somit auf Antrag in die Liste österreichischer Rechtsanwälte einzutragen.


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